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Microsoft-Boss Steve Ballmer muss eine Strafe von 561 Millionen Euro ins EU-Budget einzahlen. Der Konzern übernimmt volle Verantwortung für den Verstoß gegen eine Vereinbarung mit Brüssel.

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"Vielleicht sind wir naiv gewesen. Wir werden jedenfalls die Überwachung verstärken, ob rechtsverbindliche Vereinbarungen eingehalten werden." Mit dieser Beteuerung antwortete der für Wettbewerb zuständige EU-Kommissar Joachím Almunia am Mittwoch in Brüssel auf Fragen, wie es geschehen konnte, dass Microsoft den Kunden in der Union ab Mai 2011 vierzehn Monate lang die freie Auswahl eines Webbrowsers verwehrte, ohne dass die Behörde dagegen einschritt.

Ende 2009 hatte der US-Konzern mit Almunia-Vorgängerin Neelie Kroes einen Deal ausgehandelt, nach dem das Betriebssystem Windows 7 browserneutral angeboten werden musste. Der hauseigene Explorer war bis dahin ohne Alternative voreingestellt. Die Kommission hatte zuvor ein Verfahren wegen Wettbewerbsverzerrung eingeleitet. Sie sah wegen eines Marktanteils von Windows-Betriebssystemen um die 90 Prozent weltweit die Gefahr, dass auf dem Browsermarkt jede Chancengleichheit verschwindet.

Deal bis Ende 2014

Mit dem Deal sollten Käufer fünf Jahre lang - bis Ende 2014 - Alternativen zum Explorer abrufen können, in einem eigens dafür eingerichteten Fenster bei der Installation. Die Kommission stellte im Gegenzug das angelaufene Verfahren ein, zu dem sie sonst verpflichtet gewesen wäre.

Bis Mai 2011 funktionierte die Vereinbarung bei 84 Millionen Käufern. Dann kam der Software-Gigant mit Einführung eines Service Pack 1 seiner Pflicht plötzlich nicht mehr nach - bis Juni 2012.

Microsoft erklärte das später mit einem "technischen Fehler". Den Ingenieuren wäre ein Irrtum unterlaufen, für den man die volle Verantwortung übernehme.

Verzicht auf Berufung

15,3 Millionen Windows-Nutzer seien dadurch um ihr Recht gebracht worden, stellte die Kommission nun fest - und verhängte am Mittwoch eine Strafe von 561 Millionen Euro. Das entspricht drei Euro pro User pro Monat, erklärte der Kommissar. Theoretisch wäre eine Strafe von zehn Prozent des Konzernumsatzes von 50 Milliarden Euro möglich gewesen. Die Sanktion soll der Abschreckung dienen. Das Geld wird ins EU-Budget fließen. Der Konzern verzichtet auf Berufung wie in anderen Fällen in der Vergangenheit.

Man habe den Auswahlbildschirm nicht absichtlich vorenthalten, hieß es in einer Erklärung, und übernehme die volle Verantwortung für den Fehler und entschuldige sich dafür. Der Softwarehersteller bot an, die Frist für die freie Browserauswahl um 15 Monate zu verlängern. Seit 2004 wurde Microsoft von der EU insgesamt zu Strafen von fast 2,2 Milliarden Euro verdonnert.

Laut Almunia handelt es sich um einen schweren Verstoß gegen Artikel 9 der Anti-Kartell-Richtlinie (einvernehmliche Verfahrenseinstellung). Wenn ein Unternehmen bereit ist zu einer Verpflichtung, kann die Kommission ein Verfahren einstellen und von Sanktionen absehen, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Erstmals seit 2003 zieht ein Bruch nun eine Strafe nach sich.

"Microsoft überwachte sich selbst"

Für die Kommission ist die Sache peinlich: Almunia musste zugeben, dass Kroes eine schwache Absicherungsklausel akzeptiert hatte: ohne Berichtspflicht. "Microsoft überwachte sich selbst", mit einer Selbstverpflichtung, sagte Almunia. Der Verstoß wurde nicht von der Behörde entdeckt, sondern von Konsumenten angezeigt.

Warnung für Google

Die Bußgeldzahlung ist auch ein Warnschuss für andere Unternehmen. Ein Wettbewerbsverfahren läuft gegen Google. Hier lautet der Vorwurf, dass der Suchmaschinenriese bei der Suchfunktion eigene Angebote bevorzugt.  (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, red, derStandard.at, 7.3. 2013)