Wien - Dass selbst die Staatsanwältin zugibt, sie dachte, das angeklagte Delikt sei gar keines, ist äußerst selten. Alexandra Maruna macht das am Wiener Straflandesgericht und verpackt gleich einen Wunsch an den Gesetzgeber in ihr Plädoyer. Man solle über die Möglichkeit einer Diversion bei Amtsmissbrauch nachdenken. Die war im Gespräch, nach Medienkritik rückte man im Justizministerium davon wieder ab.

Betrachtet man die Angelegenheit, mit der sich der Schöffensenat unter Vorsitz von Daniela Setz-Hummel beschäftigt, kann man dem Wunsch etwas abgewinnen. Zwei aktive und ein pensionierter Mitarbeiter der Wiener Magistratsabteilung 48, zuständig für die Müllentsorgung, sitzen wegen Amtsmissbrauchs hier, zwei Gärtnereibesitzern wird vorgeworfen, das Trio dazu angestiftet zu haben.

Angeklagte waren geständig

Zwischen Dezember 2009 und Jänner 2010 sollen die Beamten zu viel gearbeitet haben. Genauer, sie haben bei den Gärtnereien Müll in den Wagen gekippt, für den sie entweder nicht zuständig waren oder für den sie die Genehmigung eines Vorgesetzten einholen hätten müssen. Geld haben sie dafür nicht genommen.

Gerhard F., Josef W., Willibald B., Otto H. und Gerhard H. sind grundsätzlich alle geständig.

Erstangeklagter Gerhard F. ist 52 Jahre alt, seit 32 Jahren Müllaufleger, wie der Beruf amtlich heißt. Seit zehn Jahren macht er dieselbe Tour im 21. Wiener Gemeindebezirk, wo die Tatorte liegen. "Die internen Dienstvorschriften habe ich mir nicht durchgelesen", gesteht er ein. Hätte er machen sollen. Dann hätte er gewusst, dass bei Haushalten zur Weihnachtszeit auch größere Mengen neben den Tonnen lagernder Müll mitgenommen werden dürfen, nicht aber bei Gewerbebetrieben. Die müssten Extratonnen beantragen. Außer der Oberaufseher erlaubt die Mitnahme. " Was glauben Sie, was der Sinn ist? Dass der Oberaufseher was zu tun hat oder dass der Gemeinde keine Müllgebühren entgehen?", will die Vorsitzende wissen. F. zuckt mit den Achseln.

Anonyme Anzeige

Diese Gebühren haben sich nämlich die Gärtnereibesitzer erspart, indem sie die Beamten fragten, ob sie in der Hochsaison auch Extrakübel mitnehmen könnten. Der bereits beglichene Schaden durch den zweiten Gärtner: 15 Euro.

Nach einer anonymen Anzeige stierlten allerdings die internen Ermittler der MA 48 im internen Müll und dokumentierten über Wochen die illegale Mehrarbeit. Gesehen haben sie nicht alles. Aber gehört. Und aus langen Ladegeräuschen auf Pflichtwidriges geschlossen.

"Ich bin schon lange im Geschäft und habe noch nie eine außerordentliche Strafmilderung angewendet. Aber bei Ihnen steht die Mindeststrafe von sechs Monaten in keiner Relation", führt die Vorsitzende in ihrer Urteilsbegründung aus. Der Senat geht daher weit unter das Mindestmaß: je drei Monate bedingt für die Müllmänner, sechs und vier Wochen bedingt für die Gärtner. Die Angeklagten nehmen die Urteile an, da Staatsanwältin Maruna keine Erklärung abgibt, sind sie nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 6.3.2013)