Ein Held wider Willen und sein dienstbares Äffchen: James Franco in Sam Raimis "Die fantastische Welt von Oz".

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Wien - Das Kino ist von Anfang an Effekt. Es behauptet, bewegte Wirklichkeit zu zeigen. Aber auf der Leinwand ist davon nur eine Nachstellung zu sehen, die auf dem Wechsel von Licht und Dunkel basiert. Das Kino bedient sich optischer Täuschungen und mechanischer Prothesen, sein illusionistischer Kern hat unabhängig von technologischem Fortschritt Bestand, und seine 3-D-Variante ist in dieser Logik nur die jüngste Jahrmarktsattraktion.

Der jüngste Film des einstigen Horrorspezialisten Sam Raimi beginnt in dieser Hinsicht vielversprechend und geschichtsbewusst. Die Titelsequenz führt handgemachte 3-D-Effekte vor: Papierkulissen, nach hinten gestaffelt und perspektivisch verjüngt, so wie man sie auf Bühnen oder in kleinen Guckkästen anbrachte, um den Eindruck von Raumtiefe zu erzeugen. Dafür setzt man gern die Brillen auf.

Die Rückwärtsgewandtheit macht nämlich Sinn. Das Fantasyabenteuer Die fantastische Welt von Oz / Oz the Great and Powerful bedient sich bei Figuren und Motiven von L. Frank Baum: Der US-Autor, Jahrgang 1856, veröffentlichte seinen nachmaligen Kinderbuchbestseller Der Zauberer von Oz im Jahr 1900 - als auch das Kino gerade erfunden war -, und er verfasste in der Folge zahlreiche Fortsetzungen und Variationen.

Der selbst an Illusionstechniken höchst Interessierte - Baum schrieb unter anderem ein Handbuch für Schaufensterdekorateure, versuchte sich als Theatermacher, als Musical- und später als Filmproduzent - erlebte die berühmteste Leinwandadaption seines Hauptwerks nicht mehr: 1939 machten Mervyn LeRoy und Victor Fleming Judy Garland zur ultimativen ins Land Oz verwehten Dorothy, die dort den Zauberer als Spezialeffekt enttarnte.

In Oz the Great and Powerful gibt es keine Dorothy, der Zauberer selbst (James Franco) ist in den Mittelpunkt gerückt. Seine Zauberkraft auf Erden beschränkt sich aufs Verführen weiblicher Fans. Ein Eifersüchtiger zwingt Herrn Oz zur Flucht und in einen Heißluftballon, welcher wiederum von einem Wirbelsturm mitgerissen wird, um erst in einem von Riesenblumen umsäumten Gewässer zur Ruhe zu kommen.

Das Wunderland ist erreicht: Bei Fleming einst ein strahlendes Technicolor-Mirakel, nun in Richtung pastellener 3-D-Plastikwelt übersteuert. Der Zauberer wird von einer jungen Schönheit in schwarzen Lederleggings gerettet. Er lässt sich zu großen Versprechungen hinreißen. Damit ist er in einen Machtkampf zwischen zwei Fraktionen von Hexen verstrickt (die Michelle Williams, Rachel Weisz und Mila Kunis verkörpern). Die mit dem reinen Herzen, ganz in Weiß, erkennt im Zauderer Oz den begnadeten Showman. Die Bilder und Spezialeffekte, die er produziert, machen aber auch nur auf die Kinonovizen im Oz-Land Eindruck. (Isabella Reicher, DER STANDARD, 6.3.2013)