Ein deutsch-amerikanisches Team hat erstmals Rezeptoren von Nervenzellen für Lichtreize empfänglich gemacht. Die Methode ermöglicht völlig neue Einblicke in die Funktionsweise von Gedächtnis und Lernen, liefert aber auch Hinweise auf die Entstehung von Krankheiten.

Wenn Nervenzellen miteinander kommunizieren, sind sogenannte Neurorezeptoren entscheidend an der Signalübertragung beteiligt. Sie sind als Transmembranproteine in die Wand der Nervenzellen eingebaut und reichen durch sie hindurch. Die häufigsten Rezeptoren sind die G-Protein-gekoppelten Rezeptoren (GPCRs), zu denen auch bestimmte Glutamatrezeptoren gehören.

Sogenannte metabotrope Glutamatrezeptoren (mGluR) sind an der Regulation der Erregbarkeit der Nervenzelle sowie an der Freisetzung neuronaler Transmitter beteiligt. Außerdem spielen sie eine wichtige Rolle für die synaptische Plastizität, das heißt, sie steuern die Stärke, mit der Reize an der Synapse übertragen werden.

Der Informationsfluss zwischen Nervenzellen hängt entscheidend von der Stärke der Signalübertragung ab. Ohne synaptische Plastizität wären das Lernen und Abspeichern neuer Eindrücke nicht möglich. Das Verständnis der neuronalen Mechanismen ist daher von großem Interesse. Dirk Trauner, Professor für Chemische Biologie und Genetik an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), gelang es nun in Zusammenarbeit mit Ehud Isacoff (University of California, Berkeley) mGluRs durch Licht steuerbar zu machen und sie so gezielt einsetzen zu können.

Trauner ist Spezialist dafür, Moleküle mit einem chemischen Schalter zu versehen, der auf Licht reagiert. Erst kürzlich gelang es ihm, Transmembranproteine lichtabhängig steuerbar zu machen, die normalerweise auf den Botenstoff Acetylcholin reagieren. Nun konnte er in Zusammenarbeit mit den amerikanischen Kollegen seine Methode zur Photosensibilisierung von Rezeptoren auf mGluRs ausdehnen. "Licht ist sehr genau kontrollierbar. Mit unserem Konstrukt können wir die Zellen daher mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung spezifisch ansprechen. Zudem ist die Reaktion reversibel", erläutert Trauner die Vorteile der Methode.

Schalten im Millisekundentakt

Anders als das Netzhaut-Pigment Rhodopsin, das ebenfalls zu den GPCR gehört und als einziges dieser Proteine von Natur aus lichtempfindlich ist, benötigt Trauners optischer Schalter zur Aktivierung keine konstante Beleuchtung und kann innerhalb von Millisekunden ein- und ausgeschaltet werden. "Dies bietet uns einzigartige Möglichkeiten, die spezifischen Funktionen jedes einzelnen Rezeptors aufzuklären", sagt Trauner. Dies ist besonders wichtig, weil verschiedene mGluRs an dasselbe Protein binden können, aber unterschiedliche Effekte hervorrufen.

Seine Funktionstüchtigkeit zeigte der neue optische Schalter sowohl in Hirngewebe der Maus als auch in lebenden Zebrafischen, wo die Wissenschafter mithilfe der optischen Schalter zeigen konnten, dass mGluRs an der Schreckreaktion beteiligt sind: Die lichtinduzierte Aktivierung von mGluR setzte die Reizschwelle der Fische herab. Auch für zukünftige therapeutische Anwendungen sind die Ergebnisse der Wissenschafter interessant, denn viele GPCR sind Ziele von Neurotransmittern, die mit Erkrankungen des zentralen Nervensystems in Zusammenhang stehen.

So könnte auch mGluR ein interessantes Zielmolekül für Krankheiten wie Depressionen und Schizophrenie sein. "Noch ist dies Grundlagenforschung, aber möglicherweise könnte mGluR auch für die Therapie von Sehstörungen eingesetzt werden, da der Rezeptor selektiv in bestimmten retinalen Zellen exprimiert wird", so Trauner. (red, derStandard.at, 09.03.2013)