Männlich, weiblich - nur zwei von vielen möglichen Geschlechtsidentitäten.

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1985 installierten die Vereinten Nationen das Amt des Sonderberichterstatters "über Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung", das mit dem UN-Hochkommissariat für Menschenrechte assoziiert ist. Derzeit wird der "Special Rapporteur" vom argentinischen Rechtswissenschaftler Juan E. Méndez gestellt.

Missbrauch im Gesundheitswesen - ein Thema für LGBTs

Im Februar veröffentlichte Méndez im Rahmen der 22. Sitzung des UN-Menschenrats einen Bericht über "missbräuchliche Praktiken im Gesundheitsbereich". Hierbei übte er Kritik am diskriminierenden Umgang mit LGBTI-Personen (Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender & Intersex), die von der Verweigerung medizinischer Behandlung über verbale Erniedrigung und öffentliche Demütigung bis hin zu unfreiwilligen Genitaluntersuchungen oder auch Zwangssterilisationen reicht.

Unter dem problematischen Etikett der sogenannten "Reparativtherapien" werden zudem bis heute zwangsweise Hormonbehandlungen und "normalisierende" Operationen durchgeführt, um die gleichgeschlechtliche sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität eines Menschen der heterosexuellen, zweigeschlechtlichen Norm anzupassen. 

Verurteilung von Zwangseingriffen

Nach wie vor sind operative Eingriffe bei Neugeborenen und Kleinkindern, deren biologisches Geschlecht sich nicht eindeutig bestimmen lässt, weit verbreitet - meistens ohne dass diese medizinisch erforderlich wären. Was landläufig als "intersexuell" bezeichnet wird, fasst jedoch verschiedene Formen nicht zuordenbarer Geschlechtserscheinungen und folglich unterschiedliche Identitätsentwürfe zusammen. Gemeinsam ist dieser heterogenen Gruppe "der Intersexuellen" jedoch, dass ihnen das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung in den allermeisten Fällen vorenthalten wird.

So macht auch der UN-Report darauf aufmerksam, dass Kinder, die mit atypischen körperlichen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt kommen, "oft irreversiblen Geschlechtszuweisungen, erzwungener Sterilisierung und erzwungenen genital-normierenden Operationen unterworfen sind, die ohne ihre informierte Zustimmung oder jene ihrer Eltern durchgeführt werden". Solche Maßnahmen seien jedoch "selten medizinisch notwendig, können Narbenbildung, Verlust des sexuellen Empfindens, Schmerzen, Inkontinenz und lebenslange Depressionen verursachen und wurden zudem als unwissenschaftlich, gesundheitsgefährdend und zu Stigma beitragend kritisiert." Die Auswirkungen solcher Behandlungsweisen seien oftmals mit Unfruchtbarkeit und schwerem seelischen Leid verbunden.

Ja zu Konsens und Informiertheit

In den abschließenden Empfehlungen des UN-Berichts heißt es: "Der Sonderberichterstatter ruft alle Staaten auf, jegliche Gesetze abzuschaffen, die intrusive und irreversible Behandlungen erlauben, darunter genital-normalisierende Zwangsoperationen, erzwungene Sterilisierung, unethische Experimente, medizinische Zurschaustellung und 'Reparativ-' oder 'Konversionstherapien', wenn diese erzwungenermaßen oder ohne freie und informierte Zustimmung der betroffenen Menschen angeordnet werden. Er ruft sie zudem auf, Zwangssterilisationen oder Nötigung zu Sterilisierung unter allen Umständen gesetzlich zu verbieten und Menschen, die marginalisierten Gruppen angehören, besonderen Schutz zukommen zu lassen."

Auch mahnt der Bericht die Pflicht der Vertragsstaaten ein, Folter und unmenschliche Behandlung durch medizinische Zwangsbehandlungen zu ahnen, auch wenn das Gesundheitspersonal "beste Absichten" hegt und vorgibt, im "Interesse der Betroffenen" zu handeln, sowie die Wiedergutmachung für die betroffenen Personen.

Reaktionen von Intersex-Organisationen

Intersex-Organisationen wie etwa Zwischengeschlecht.org aus der Schweiz begrüßen den Bericht "ausdrücklich als weiteren Schritt zur Beendigung der ungebrochen andauernden medizinischen Verbrechen an Zwittern und zur Durchsetzung ihres Rechts auf körperliche Unversehrtheit". Ihnen und anderen Selbstorganisationen wie der US-Intersex-Lobbygruppe "Advocates for Informed Choice" ist es zu verdanken, dass der UN-Report nunmehr explizit auch die Rechte intersexueller Menschen auf körperliche Selbstbestimmung berücksichtigt. (red, dieStandard.at, 4.3.2013)