Man kann sich alles schönreden. Manchmal muss man das auch. So wie jetzt gerade. Ich sitze auf der neuen BMW F 800 GT und habe eine eher schlechte Rundumsicht. Wie Scheuklappen versperren mir die Knie die Sicht auf die Seite. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe, aber ich sitze auf einer niedrigen 800er. Ein Los, das ich auch schon bei der ST mehrmal gezogen habe. Warum sollte es bei der Nachfolgerin anders sein.

Foto: bmw

Und noch was. Mit den Knien ist es auch nicht so weit bis zum Boden. Nur hab ich am Textil keine Kneeslider drauf und das Gore-Tex verliert rasch seine Eigenschaften – die den Regen nicht an die Haut lassen – wenn man damit eine Kurve durchkratzt. Also lass ich die Scheuklappen hochgefahren und erfreu mich so an den ersten Sonnenstrahlen.

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Aber das Gute, wenn man als 190-Zentimeter-Lackl mit der niedrigen Sitzbank fährt, ist, dass der Schwerpunkt tiefer ist. 765 Millimeter ist die niedrige Sitzbank hoch, 800 Millimeter sind Serie, und 820 Millimeter bekommt man mit der Komfortsitzbank zusammen.

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"Jetzt hätt es aber bald geschebbert", sagt beim Kaffee der Kollege, der hinter mir gefahren ist. Ich hab keine Ahnung, wovon er spricht. Was hab ich schon wieder verschlafen? Zur Sicherheit sag ich: "Ah geh, das ist sich locker ausgegangen", und suche weiter in meiner Erinnerung nach einem Nahtoderlebnis auf den letzten Kilometern. "Geh bitte, da waren nur mehr ein paar Millimeter zwischen der Leitplanke und den Koffern."

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Verdammt, genau, ich hab ja Koffer drauf. Hab ich schon wieder ganz vergessen. Dabei habe ich mir geschworen, dass mir die Geschichte vom Harald eine ewige Lehre sein wird. Es ist schon ein paar Jahre her, dass er die Koffer unabsichtlich abmontiert hat. Aber spektakulär war es, wie er, kurz nach der Stadtgrenze, bei der ersten mehrspurigen Straße, vor der roten Ampel – ohne zu bremsen – die Ellenbogen einzieht und zwischen den Kolonnen nach vor reißen will. So richtig weit ist er halt nicht gekommen. Verzögert heftig, wenn sich die Heckbeulen erst einmal in die Kofferraumklappen verbeißen.

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Für die GT hat BMW die Koffer adaptiert. Sie sind noch größer. Gleichzeitig hat BMW das Fahrwerk überarbeitet und somit die Zuladung um 11 Kilogramm auf 207 Kilogramm erhöht. Trotzdem merk ich mir: Auf engen Kurvenstraßen mit Leitplanken die Kofferbomber nicht mit Drücken eng um den Scheitel zu pilotieren. Weil da hilft einem auch das optionale ASC einen Dreck, wenn du den Bock selber ins Eisenglander fährst.

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Als BMW die F 800 ST zur neuen F 800 GT – GT für Gran Turismo – aufgerüstet hat, kam natürlich auch der Motor auf die Werkbank. Der Reihen-Zweizylinder mit einem Hubraum von 798 Kubikzentimeter leistet nun um 5 PS mehr.

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Die 90 PS liegen bei 8.000 Umdrehungen an, und wenn es flott dahingehen soll, dann quirlt man den Motor am besten auch im hohen Drehzahlbereich. Unten kann man herrlich cruisen – aber wer will das schon?

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Obwohl die geänderte Sitzgeometrie das unterstützen würde. Der Lenker ist bei der GT höher als bei der ST, man sitzt aufrechter. Dem Wind ist man trotzdem nicht ausgesetzt. Der Glasverbau und die seitlichen Plastikwände leiten den Fahrtwind gut um den Fahrer herum. Mehrere hundert Kilometer auf einmal abzuspulen, ist mit der GT also noch komfortabler als mit der ST.

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Dazu passt dann auch, dass bei der GT die Schwinge etwas länger wurde. Tourenfahrer werden sich im Zubehör auch an der neuen Anbindung der BMW eigenen Navigationseinheit bedienen; Führerscheinneulinge die Leistungsreduzierung auf 48 PS ordern – die kostet übrigens nichts extra, wie die niedrige Sitzbank. Ansonsten findet im Zubehörkatalog jeder was. Leider auch den Hauptständer um 144 Euro. Das Sicherheitspaket mit ESA, RDC und ASC kostet 794 Euro – ABS ist serienmäßig.

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Verzichtet man auf die Sonderausstattung, bleibt die GT immer noch ein sehr tourenaffines Motorrad, mit einem herrlich knackigen, fast schon räudigen Zwei-Zylinder-Sound. Kostet dann 11.800 Euro. (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 4.3.2013)

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