Bild nicht mehr verfügbar.

Noch vor wenigen Jahren wurden Tonsillen präventiv entfernt.

Foto: APA/Barbara Gindl

Hat man häufig Halsweh, sind die Mandeln schuld und müssen raus. Diese einfache Sicht der Dinge teilen Hals-Nasen-Ohren-Ärzte nicht. "Wir leiden darunter, wenn das Thema Mandeln so vereinfacht wird", sagt der HNO-Spezialist Robert Pavelka aus Wiener Neustadt. Die Gaumenmandeln haben vor allem bei Kleinkindern eine wichtige Aufgabe als lymphatisches Organ im Hals und dürften nicht leichtfertig entfernt werden.

Nicht alles, was kratzt im Hals, ist eine Mandelentzündung. Was uns in Verkühlungszeiten plagt, sind meist Tröpfcheninfektionen, die sich auf die individuellen Schwachstellen der Atemwege auswirken. "Überwiegend sind es Racheninfekte, welche die gesamte Rachenschleimhaut betreffen, eventuell reagiert die Mandel mit", sagt Pavelka.

Kriterium Lymphknoten

Racheninfekte bedürfen einer genauen Diagnose. Pavelka: "Der Arzt muss abklären, ob es wirklich eine isolierte Mandelentzündung ist oder eine Mitreaktion im Rahmen einer Halsentzündung." Die einfache Formel, "viele Infekte, Mandeln entfernen", funktioniere nicht, "weil man bei einer viralen Racheninfektion mit einer Mandeloperation nichts erreicht", sagt der HNO-Facharzt. Ein wichtiges und einfaches Unterscheidungsmerkmal sei die Lymphknotenbeteiligung. Bei einer bakteriellen Mandelentzündung sind die Lymphknoten unter dem Kieferwinkel stark angeschwollen, oft ist das auch sehr schmerzhaft.

Bekämpft wird die eitrige Angina der Mandeln in der Regel mit Antibiotika. Wiederholen sich die Infekte trotz sorgfältiger Antibiotikaeinnahme, rät Pavelka: "Bevor man operiert, sollte man es noch mit einem Wechsel des Medikaments probieren."

Am häufigsten sind Mandelentzündungen (Tonsillitiden) im Kindes- und Jugendalter. Bis vor wenigen Jahren wurden die Mandeln präventiv entnommen. Seit 2006 fünf Kleinkinder nach Mandeloperationen an Nachblutungen gestorben waren, wird nicht mehr voreilig operiert. Pavelka: "Operiert sollte nur bei chronischen Infekten werden, um die Bakterienherde zu entfernen." Mit den Mandeln werden Bakterien, die sich im Mandelgewebe abgekapselt haben, herausgeschnitten.

Nutzen und Risiko

Als Richtlinie dient das Konsensuspapier zur Tonsillektomie (operative Mandelentfernung). Es wurde 2007 als Reaktion auf die Todesfälle von der Österreichischen Gesellschaft für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie mit der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde erarbeitet.

Eine Operation wird nach sieben Infekten innerhalb eines Jahres oder fünf und mehr Tonsillitiden in zwei Jahren empfohlen. Je jünger die Kinder, umso gründlicher müssten Nutzen und Risiken abgewogen werden. Operiert werden sollten nur kleine Kinder, wenn das Allgemeinbefinden stark beeinträchtigt ist oder Gedeihstörungen vorliegen, heißt es in den Empfehlungen.

Eine gefürchtete Komplikation sind Nachblutungen. Sie sind bei Kindern nicht häufiger, aber gefährlicher, sagt Robert Pavelka, "weil sie ein geringeres Blutvolumen haben". Harmlos ist eine Tonsillektomie laut Pavelka auch für Erwachsene nicht, weil es bis drei Wochen nach dem Eingriff zu Spätblutungen kommen könnte. Nach der Operation müsse man körperliche Anstrengung vermeiden, 14 Tage Krankenstand sind das Minimum.

Kommt es zu Blutungen - besonders kritisch sind der fünfte bis achte Tag nach der Operation -, muss so schnell wie möglich die HNO-Abteilung eines Krankenhauses aufgesucht werden. Pavelka: "An anderen Abteilungen fehlt die Expertise, wie man so eine Blutung stillen kann."

Kleine Schnarcher

Häufigster Grund für eine Mandeloperation sind bei Kleinkindern vergrößerte Mandeln (Hyperplasie). Das "übergroße lymphatische Gewebe" behindere die Kinder bei der Atmung. Chronische Infekte der Nase und der Nasennebenhöhlen können die Folge sein, auch Zahn- und Kieferfehlstellungen oder Artikulationsstörungen.

Bemerkbar macht sich die Blockade durch Mundatmung, starkes Schnarchen, nächtliches Schwitzen und Müdigkeit am Tag. Pavelka: "Das Kind bekommt zu wenig Luft, hat nachts Atemaussetzer, schläft schlecht und wird schließlich durch den Sauerstoffmangel in seiner Entwicklung gestört."

Vergrößerte Mandeln müssen nicht total entfernt werden, es reicht, sie mit einer Teiloperation (Tonsillotomie) zu verkleinern. "Man nimmt nur jenen Teil weg, der über den Gaumenbogen vorsteht. Das ist etwa die Hälfte oder zwei Drittel der Mandel. In der Nische zwischen den beiden Gaumenbögen bleibt das Mandelgewebe erhalten", beschreibt HNO-Arzt Pavelka den "harmlosen Eingriff".

Gefäße verschweißen

Operiert wird mit Laser oder der elektrischen Nadel, der sogenannten Elektrokaustik. Beide Methoden verschweißen die Gefäße. Die Nachblutungsrate ist bei dieser Methode um ein Zehntel geringer als bei einer Komplettentfernung.

"Den Kindern geht es nach diesem Eingriff auch viel besser als nach einer Tonsillektomie. Die Narbenbildung ist geringer, sie haben dadurch auch weniger Schluckbeschwerden", sagt Pavelka. Nach einer Mandelverkleinerung nehme das Kind bereits nach einer Woche wieder an Kilos zu. Bei einer Tonsillektomie hingegen verliere es wegen der Probleme beim Essen an Gewicht. (Jutta Berger, DER STANDARD, 4.3.2013)