Könnte sich der Tesero-See glücklich schätzen, er würde sich dieser Tage glücklich schätzen, ein zweites E statt eines zweiten O zu haben. Dem kleinen Gewässer nahe des Langlaufzentrums der WM bleibt damit vielfacher Missbrauch seines Namens erspart. Hieße er Tesoro, der See, frage nicht, er wäre der Liebling der Medien. Dann wäre vielfach vom Medaillen-Hort die Rede und Schreibe, der in unmittelbarer Nähe des Schatzsees, in den Loipen, nun ja, zu heben sei.

Schiffbar ist er nicht wirklich, der Tesero-See. Allenfalls kleinen Nachen bietet er hinreichend Fläche zum Manövrieren. Das ist aber nicht der Grund dafür, dass das gut zehn Meter messende Langboot, das der harte Kern der norwegischen Langlauf-Fanatiker stets mit sich schleppt, nicht auf ihm zu Wasser gelassen wurde. Schon ist alles Notwendige für eine zünftige Raubfahrt da - Ruder, Segel, zwei Reihen runder Schilde, der Drachenkopf. Auch feurige Bemannung ließe sich leicht werben, aber an Seetüchtigkeit, also an der ersten Voraussetzung für jede erfolgversprechende Viking, gebricht es dem Schinakl.

Einer frischen Seebrise wird man tief im Fleimstal natürlich auch nicht gewahr, stattdessen steigt dem Wikinger die scharfe Landluft in die Nase, die beständig über den Loipen wabert. Denn gleich in der Nachbarschaft, in den Ställen der größten Landwirtschaft weit und breit, verdauen Rinder in stattlicher Anzahl unbeeindruckt vom sportlichen Treiben bis zum stets zähflüssigen Ende.

Die nicht selten ebenfalls, wenn auch nur temporär behornten Wikinger lassen es sich dennoch nicht verdrießen. Ihre Vorfahren waren ja Bauern, wenn sie nicht gerade handelten oder fremde Gestade auf der Suche nach Schätzen verheerten. (Sigi Lützow, DER STANDARD, 1.3.2013)