Foto: Siluh

Man könnte die Wiener Band Sex Jams natürlich mit Sonic Youth vergleichen. Immerhin eiern und quengeln hier die Gitarren schon im Eröffnungssong Beauty Is A Beast exakt im selben Soundkleid wie bei den altvorderen Alternative-Rock-Mitbegründern aus New York. Sie selbst bezeichnen ihre aktuellen Versuche auf dem Album Trouble, Honey, dem guten alten Indierock mit jugendlicher Dringlichkeit Relevanz entlocken zu wollen, mit den auch nicht so weit hergeholten Referenznamen Dinosaur Jr. und Blondie. Dennoch bleiben Sonic Youth als erster Eindruck übermächtig.

Das ist ja auch nicht schlecht. Erstens ist es seit der Erfindung von Tonwalze und später Plattenspieler für die meisten Menschen sehr angenehm, immer wieder dasselbe hören zu können. Das schafft Sicherheit durch Wiederholung. Wer schon etwas älter ist: Freunde dich mit Wiederholungen frühzeitig an. Du wirst immer wieder mit solchen zu tun haben. Wenn man ihnen gelassen begegnet, sind sie meist auch nicht so langweilig wie befürchtet. Zweitens wurde bekanntlich zwar schon alles einmal gesagt, aber eben noch nicht von allen. Sonic Youth waren bis vor circa 20 Jahren eine tolle Band. Da gibt es nichts zu rütteln. Heute ist alles irgendwie weicher geworden. Wir vermissen die Band sehr.

Das Eiern und Quengeln der Gitarren, der juvenil zwischen den Akkorden hüpfende Bass und das zünftig Richtung Muppet Show polternde und mit den Becken scheppernde Schlagzeug werden uns über die gesamte Länge des Albums begleiten. Allerdings ist im Gegensatz zu Sonic Youth ein Alleinstellungsmerkmal in der langen Geschichte der international von hunderten Bands betriebenen Sonic-Youth-Verehrung zu verzeichnen, das die aufgrund der Scheidung von Frontfrau Kim Gordon und Frontmann Thurston Moore derzeit und wohl endgültig stillgelegten Sonic Youth selbst nicht mehr für sich in Anspruch nehmen können. Sex Jams sind noch nicht Mitte 50. Deshalb ist alles im Lande Lärm noch relativ neu für sie und wird mit großer Begeisterung für die eigene Kunst adaptiert.

Sex Jams um Sängerin Katie Trenk und die Gitarristen Lukas Bauer und den mit seinen zwei eigenen Bands Mile Me Deaf und Killed By 9V Batteries hyperaktiven Wolfgang Möstl beschränken sich dann nach den heftigeren und trashigeren Anfängen mit dem Debütalbum Post Teenage Shine von 2010 auch nicht immer und gänzlich darauf, Traditionspflege zu betreiben. Dies alles bei gern im Gegensatz zur Konkurrenz überdurchschnittlich hochgefahrener und deshalb sehr löblicher Lautstärke. Sex Jams haben - und hier kommt ein Kaufargument - tatsächliche gute Songs im Angebot und mit Katie Trenk eine Sängerin, die den verzerrten Gitarren mit kreischender Körperlichkeit standhalten kann.

Durch Fleiß und Beständigkeit hat man sich in halb Europa auch dank der Arbeit des hinter der Band stehenden Siluh-Labels Kontakte erarbeitet, die es Sex Jams ermöglichen, ab März auch außerhalb der gewohnten zehn Clubs in Österreich zu spielen. Das ist eine noch immer gültige Voraussetzung für das Überleben jeder heimischen Band: bloß weg hier.

Während die Kollegen von der elektronischen Musik darüber klagen, dass man auf dem Flughafen von Kuala Lumpur kilometerweit gehen muss, um rauchen zu können, jammern die Rockmusiker gewöhnlich über das Buffetangebot in Steigenberger-Rasthäusern entlang der Westautobahn.   (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 1.3.2013)