"Sweet Chariot" (2012) von Tillman Kaiser.

Foto: Galerie Layr

Wien - Das Spirituelle hatte in der Kunst des 20. Jahrhunderts kein sehr gutes Standing. Davon ausgehend, dass Wissenschaft und Vernunft nicht alle Probleme zu lösen vermögen, wurden jüngst aber auch im Kunstkontext (genauer: in der Ausstellung Animismus in der Generali Foundation) wieder Stimmen für Denkmodelle jenseits der westlich geprägten laut.

Obwohl Tillman Kaiser nicht in der Ausstellung vertreten war, hat auch er über die Jahre eine Formensprache entwickelt, die spirituell angehaucht ist: Typisch für den 1972 geborenen Künstler sind etwa die in der Ausstellung präsentieren kristallförmig ausgeschnittenen Wandobjekte. Sie sind symmetrisch bemalt und erinnern gleichermaßen an indische Mandalas wie an traditionelle, aus rituellen Gründen gefertigte afrikanische Masken.

Mit dem Titel der Ausstellungstrilogie (der dritte und letzte Teil wird am 9. 3. in der Factory der Kunsthalle Krems eröffnet) beruft er sich aber noch auf eine ganz andere Tradition: Hermetische Melancholie (1918/19) heißt auch ein Gemälde von Giorgio de Chirico. Er gilt als Begründer der Metaphysischen Malerei, die wiederum Vorläufer des Surrealismus war.

Eine Postkarte mit de Chiricos Bild im Eingangsbereich der Galerie Layr ist jedoch nur der Auftakt: Da Kaiser an den unterschiedlichsten Ausdrucksformen innerer Vorgänge (auch des Unbewussten und Traumhaften) interessiert ist, trifft man beim Rundgang etwa auch auf ein Objekt, das der Künstler mit Die Diagnose betitelt hat. Es handelt sich dabei um drei Kinosessel aus Holz, die der Künstler in aufgeklappter Form an der Wand montiert hat.

Das lässt an ein Schutzschild oder einen Panzer denken; der Titel legt aber auch die Assoziation Rorschachtest nahe. Dass sich der Künstler formal immer wieder auf die psychodiagnostischen Tests bezieht, ist in der Präsentation insgesamt unübersehbar. So sieht man an einer Wand einen Schmetterling, während ein weiteres symmetrisch bemaltes Wandobjekt Sweet Chariot heißt. Kaiser zitiert einen Gospelsong und geht in der Auseinandersetzung mit Formen des Unbewussten auch sonst immer wieder über das Hochkulturelle hinaus.

Neben Sigmund Freud und den Surrealisten hat ihn schließlich auch die Science-Fiction zu seinen Formfindungen inspiriert. Darin verschmilzt er utopische Elemente mit Gegenständen des Alltags und die Psychoanalyse mit Psychedelischem.   (Christa Benzer, DER STANDARD, 28.2.2013)