Innsbruck/Wien – Franz Hörl würde ja gerne weniger Kunstschnee produzieren lassen. Aber es geht halt nicht, meint der Obmann des Fachverbandes Seilbahnwirtschaft, der auch Geschäftsführer der Bergbahnen Gerlos und ÖVP-Abgeordneter zum Nationalrat ist. "Wir müssen den Skifahrern von November bis Ostern perfekte Pisten bieten. Sie verlangen danach, sonst kommen sie nicht", sagte er dem STANDARD.
"Das schafft man nicht ohne Kunstschnee, bei der Menge an Gästen auf den Pisten. Wenn wir nicht beschneit hätten, wären viele Skigebiete in den vergangenen zwei Jahren über die warmen Weihnachtsfeiertage zugesperrt geblieben."
19.000 Kanonen für Kunstschnee
Rund 3100 Schneekanonen verrichteten 2007 ihren Dienst auf den gesamten europäischen Skipisten. Heute steht diese Anzahl allein in drei österreichischen Skigebieten: Ischgl (1100), Wilder Kaiser-Brixental (1356), Schladming-Planai ohne Hauser Kaibling (690).
Wie viele Schnee-Erzeuger österreichweit im Einsatz sind, darüber gibt es keine genaue Erhebung – auch nicht beim Fachverband der Seilbahnwirtschaft. "In Tirol gibt es etwa 10.000 Stück", sagt Hörl. In den heimischen Alpen, schätzt der 56-jährige Tiroler, produzieren rund 19.000 Kanonen Kunstschnee.
Unterschiedliche Systeme
Wie viel Energie in einer Skisaison für die Erzeugung verbraucht wird, darüber gibt es beim Fachverband und in der Wirtschaftskammer keine Daten. Der Grund: Der Einsatz von Lanzen- und Propellerkanonen ist unterschiedlich energieintensiv. Einzelne der rund 360 Skigebiete weisen die Verwendung ihrer unterschiedlichen Systeme zwar aus, österreichweit gibt es aber – erraten – keine gesammelten Ergebnisse.
250 GWh Energieverbrauch pro Saison
In einer parlamentarischen Anfragebeantwortung von Umweltminister Nikolaus Berlakovich (VP) am 4. Februar 2013 wird von einem Energieverbrauch bis 14 MWh pro Hektar Skipiste und Saison ausgegangen. Eine Zahl, die dem Tiroler Landtagsabgeordneten Gebi Mair von den Grünen viel zu gering geschätzt ist. "Das ist eine Lüge", sagt er.
25.400 Hektar planierte Pisten haben die Wintersportler derzeit in Österreich zur Verfügung, beschneit werden können (oder müssen) bereits mehr als 70 Prozent. Rechnet man mit den Ministeriumszahlen, kommt man auf einen Energieverbrauch von rund 250 GWh pro Saison. Zum Vergleich: Das Donaukraftwerk Freudenau erzeugt 250 GWh in drei Monaten.
800 Millionen Euro für Schneesicherheit
Das Einhalten der Schneegarantie auf Österreichs Skipisten trotz Klimawandels verursacht immense Kosten: Laut Fachverband wurden alleine für die Schneesicherheit seit 2008 rund 800 Millionen Euro investiert. 44 Betreiber nur in Tirol haben in den vergangenen zwei Jahren um Genehmigungen für Schneekanonen angesucht.
Exakt ein Ansuchen wurde vom Land abgewiesen, sagt der Tiroler Umweltanwalt Johannes Kostenzer. "Dabei kommen wir in immer empfindlichere Regionen", sagt er. "Die Entwicklung ist äußerst bedenklich. Es werden Beschneiungsanlagen hinauf auf 3000 Meter genehmigt. Das wäre vor einigen Jahren undenkbar gewesen." Als Beispiel für den massiven Eingriff in Gletschergebiete nennt er den Speichersee, der auf 2900 Meter am Tiefenbachferner ob Sölden entstanden ist.
Die Söldener Tourismusverantwortlichen haben den See "Panorama" getauft. Die beeindruckenden Maße des Ötztaler Bauwerks: 17 Meter tief und so groß wie fünf Fußballfelder. Er soll 405 Millionen Liter Wasser fassen und die Schneegarantie des Skigebiets langfristig sicherstellen.
Zerstörte Lebensräume
Dass 105.000 Kubikmeter Fels gesprengt werden mussten, ist für Kostenzer nicht die größte Umweltsünde. Weil Kunstschnee langsamer schmilzt, steigt vor allem in sensiblen Hochgebirgs regionen der Druck auf die Vegetation. "Die Gefahr des Arten verlustes ist immens", sagt er. "Es kann dort oben Jahrhunderte dauern, bis sich ein einmal zerstörter Lebensraum erholt."
Alleine am Hauser Kaibling (elf Lifte, 120 Hektar Pistenfläche, 200 Schneekanonen) sind sechs Speicherteiche entstanden. Schon Ende Oktober 2012 wurde aus vollen Rohren geschossen, nach einem Warmwettereinbruch war der Ersteinsatz aber für die Katz. Österreichweit soll laut Umweltminister Berlakovich der "Bedarf an Wasser für Beschneiungszwecke" pro Saison 50 Millionen Kubikmeter betragen. 2012 haben erste und zweite Wiener Hochquellenwasserleitung 130 Millionen Kubikmeter aufgebracht.
36 Millionen Liter Diesel für Pistengeräte
Wie viele Pistengeräte eingesetzt werden, war vom Fachverband für Seilbahnen nicht zu erfahren. Wohl aber der durchschnittliche Treibstoffverbrauch, der für die Präparierung von einem Hektar Piste pro Saison in sensiblen Bergregionen nötig ist: 1420 Liter. Das macht gesamt 36 Millionen Liter Diesel pro Saison. "Die Seilbahnen liefern im Jahr 600 Millionen Euro Mehrwertsteuern ab", sagt Hörl. "Wir sind Arbeitgeber für 14.500 Menschen und sichern zahlreiche weitere Jobs im Wintertourismus ab." (David Krutzler, DER STANDARD, 28.2.2013)