Berlusconi, der das Land mit seiner kriminellen "Bunga-Bunga-Commedia" fast zugrunde gerichtet hat - und die EU mitzureißen droht - wird vom italienischen Wähler nicht mit dem nassen Fetzen verjagt, sondern kann wieder das Spiel machen. Beppe Grillo, ein anderer "buffone" ohne den Funken eines regierungstauglichen Programms, bekommt aus dem Nichts 25 Prozent. Italien war immer auf eine gewisse Art unregierbar, jetzt hat der Wähler das System auch noch einen guten Schritt in Richtung "gescheiterter Staat" geschoben.

Die Frage, ob die Wähler nicht mehr ganz bei Trost sind, stellt sich auch in anderen europäischen Krisenländern. Man muss nicht ausschließlich nach Griechenland blicken, wo die Wähler des linksradikalen Bündnisses Syriza glauben, was ihnen ihr Führer Alexis Tsipras erzählt: Griechenland sei gar nicht in der Krise, die sei eine Erfindung des IWF.

Ungarn hat mit Viktor Orbán einen rechtsnationalistischen Schwadroneur gewählt, der mithilfe eines kalten Putsches die Demokratie demontiert und im Übrigen die Wirtschaftskrise eher noch verschlechtert hat.

Bei uns wird es jetzt spannend, wie übel es die Wähler in Kärnten nehmen, dass die Haider-Partie das Land in den Bankrott geführt hat, und wie sehr sich die Wähler in Kärnten und in Niederösterreich von einem autokratischen Milliardär beeinflussen lassen, der ihnen auf fast zwanghafte Weise immer wieder versichert, sie könnten Politik doch viel besser als diese Politiker.

Ist das jetzt eine Wählerbeschimpfung? Es ist die Beschreibung eines objektiven Zustandes. Die Herren Berlusconi, Orbán, Tsipras, Haider et alii haben objektiv geschadet. Populisten schaden immer, letztlich auch den eigenen Wählern. Ein Beppe Grillo oder ein Frank Stronach werden in der Politik eher schaden als nutzen (selbst wenn man etwa Stronach zubilligt, dass er in Österreich als Unternehmer etwas geleistet hat). Ihre simplen und irrationalen Ideen (z. B. beim Thema EU) sind Rezepte für den "crash".

Der Ablauf ist fast immer derselbe: die etablierte Politik ist ausgelaugt, dysfunktional, auch korrupt. Viele Wähler wollen ein Protestsignal senden, es soll einer "umrühren". Sie reden sich auch ein, dass erfolgreiche Unternehmer wie Berlusconi oder Stronach auch gute Staatsmänner wären, obwohl die Geschichte fast ausnahmslos das Gegenteil lehrt. Doch nach einiger Zeit stellt sich auch hier Enttäuschung ein, der Prozentsatz derer, die begabten Demagogen zulaufen, bleibt gleich (Le Pen hielt sich Jahrzehnte, seine Tochter Marine hat erfolgreich übernommen, auf Haider folgte Strache).

Der Unterschied zu früher ist, dass der Verdruss über die etablierte Politik nicht nur die üblichen Protestwählerschichten, sondern auch die gemäßigteren, grundsätzlich mit dem System der repräsentativen Demokratie einverstandenen Bürger erfasst. Die Grenze zwischen Antipolitik und Antidemokratie, zwischen Systemkritik und radikaler Systemablehnung verschwimmen. Aber der Schrecken ist der etablierten Politik wohl noch nicht genug tief in die Glieder gefahren. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 27.2.2013)