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Russische Zigaretten sind billig und so auch bei Schmugglern beliebt. Hier vernichtet der Zoll eine Ladung Schmuggelzigaretten.

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Wladimir Putin und Zigaretten, das geht für die Russen künftig nicht mehr zusammen.

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Es sieht massive Einschränkungen für Tabakindustrie und Raucher vor. Die Unterstützer erhoffen sich eine deutliche Steigerung der Lebenserwartung im Land.

Das "Schokoladniza"-Café an der Moskauer Metrostation Frunsenskaja ist zur Mittagszeit voll. Die etwa 20 Tische sind von Büro-Angestellten, Verkäufern aus den umliegenden Geschäften und  Studenten besetzt, die in ihrer Pause schnell einen Happen essen wollen. Offiziell gibt es einen Raucher- und einen Nichtraucherbereich. Doch die virtuelle Grenze verläuft quer durch den Raum. Der Zigarettenqualm kümmert sich wenig darum. Am Ende sind alle Gäste gut durchgeräuchert.

Nichtraucher haben es schwer in Russland. Das Land ist eine Rauchernation. Laut einer Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO rauchen etwa 40 Prozent der Bevölkerung; 60 Prozent der Männer und gut 20 Prozent der Frauen. Pro Kopf und Tag sind es durchschnittlich 17 Zigaretten. Damit nimmt Russland weltweit eine Spitzenposition ein. Kein Wunder, denn Zigaretten sind billig. Für umgerechnet weniger als 0,50 Euro ist die billigste Schachtel am Kiosk zu haben.

Viele Russen fangen bereits als Kinder und Jugendliche mit dem Qualmen an. Zwar gilt auch in Russland ein Verkaufsverbot für Tabak und Alkohol an Minderjährige, aber das wird in der Praxis sehr lax gehandhabt. Die Folgen sind verheerend: Pro Jahr sterben 350.000 bis 500.000 Russen an den Folgen des Nikotinkonsums, schätzt das russische Gesundheitsministerium.

Verstand siegt über Lobby

Das soll sich ändern: Nachdem die Tabaklobby jahrelang entsprechende Gesetze blockieren konnte, wurde nun ein neues Anti-Tabak-Gesetz innerhalb weniger Wochen durch die Duma gepeitscht und von Präsident Wladimir Putin ratifiziert. Putin ist bekennender Nichtraucher, hat sich in der Vergangenheit allerdings gegen "radikale" Maßnahmen ausgesprochen.

Für russische Verhältnisse ist das neue Gesetz radikal:  Es sieht ein Verbot für den Zigarettenverkauf an Kiosken vor. Auch in Geschäften dürfen ab kommendem Jahr die Zigaretten nicht mehr verführerisch in der Vitrine über den Kassen hängen. Auf Werbung muss die Tabakindustrie ganz verzichten, Lotterien und die Verteilung von Gratis-Zigaretten zu Promotionzwecken sind tabu.

Sind mit diesen Einschränkungen viele Russen - auch Raucher -Umfragen nach einverstanden, so dürften die Einschränkungen für die Raucher selbst auf wesentlich mehr Widerstand stoßen: Schon ab Juni gilt ein generelles Rauchverbot an Universitäten und Schulen, in Krankenhäusern, Sportstätten, in Behörden und sogar hinter Gittern.

Ein Jahr später wird der Bann dann faktisch auf den gesamten öffentlichen Raum ausgeweitet. Ob am Arbeitsplatz, im Hotel, im Park, im Zug oder auf dem Treppenabsatz im Wohnhaus:  Glimmstängel sind tabu. Das gilt auch für Cafés und Kantinen. Nur Restaurants sind bisher davon ausgenommen.

Das Gesetz mache aus "Russland ein zivilisiertes Land", freute sich Russlands Oberster Amtsarzt Gennadi Onischtschenko. Der effektive Kampf gegen das Rauchen könnte die Lebensdauer der Russen um 15 Jahre verlängern, meint auch sein Kollege Alexander Tschutschalin vom russischen Gesundheitsamt.

Diese Effizienz muss das Gesetz allerdings erst noch beweisen. Bisher gilt in Russland die alte Weisheit: Die Härte eines Gesetzes wird durch seine Nichteinhaltung gemildert. (André Ballin aus Moskau /DER STANDARD, 25.2.2013)