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Ein Oscar macht viermal gute Laune: Daniel Day-Lewis, Jennifer Lawrence, Anne Hathaway und Christoph Waltz (v. li.).

Foto: Reuters

Los Angeles - Die erste Überraschung kam gleich zum Auftakt, als Christoph Waltz seinen zweiten Oscar in Empfang nehmen durfte. Es war ein enges Rennen bei den Nebendarstellern gewesen, und der Österreicher hatte aufgrund der latenten Ähnlichkeit seiner Rolle zu jener aus Inglourious Basterds nicht unbedingt als Favorit gegolten. Manche hatten Waltz (beziehungsweise den Produzenten des Films) vorab auch eine Art Etikettenschwindel übelgenommen: Sein Part des Kopfgeldjägers Dr. Schultz wäre zu groß für diese Kategorie, hieß es wiederholt.

Ein klein wenig überrumpelt wirkte er dann selbst, fasste sich aber schnell wieder. Seinem Regisseur, dem leidenschaftlichen Erneuerer populärer Genres - Tarantino durfte dann später für sein Drehbuch zu Django Unchained auch eine Trophäe mitnehmen -, galten die innigsten Dankesworte: "Du hast den Drachen getötet, weil Du keine Angst vor ihm hast!" Ein Zitat seiner Figur: Waltz weiß, wem er sein neues Leben zu verdanken hat.

Österreich war bei der 85. Oscar-Gala ungewöhnlich präsent. Michael Hanekes Amour, in fünf Kategorien nominiert, wurde als bester nichtenglischsprachiger Film ausgezeichnet, konnte sich aber erwartungsgemäß in keiner anderen Kategorie durchsetzen. Ein Favoritensieg, mit dem der 70-jährige Regisseur eine höchst eindrucksvolle Erfolgsserie krönt.

Moderator Seth MacFarlane kündigte zweimal eine Nummer der Trapp-Familie aus The Sound of Music an, die dann aber nie kam - bis jemand hinter der Tür im Nazi-Tonfall rief: "They're gone!" Mit dem Komiker, bekannt durch Ted und die TV-Serie Family Guy, versuchte sich die Academy in diesem Jahr einen jüngeren Anstrich zu geben - der Altersdurchschnitt liegt dort laut L.A. Times bei 62, die TV-Zuschauerzahlen sanken zuletzt konstant. MacFarlane begann vergnügt frech und unkorrekt, bezeichnete Amour als This is 90 (in Anlehnung an die Komödie This is 40), witzelte über unflätige Sprache in Django Unchained ("Mel Gibsons Voice-Mails") und sang We Saw Your Boobs mit einem Schwulenchor.

Doch mit der gespielten Zurechtweisung von Cpt. Kirk und der ständigen Selbstversicherung als "böser Bube" wurde es bald wieder eintönig; einmal mehr zeigte sich, dass sich dieser Abend nicht leicht herumreißen lässt: Er gehorcht einfach zu vielen unterschiedlichen Interessen. Der Industrie ist zuallererst an einem gefälligen Selbstbild gelegen, das man wie eine Werbebotschaft in die Welt schickt. Nach dem mehr auf Nostalgie ausgerichteten Vorjahr waren diesmal auf der Bühne musikalische Einlagen - von Adele bis Barbra Streisand - dominant. Die Filme dagegen transportierten das neu erwachte Interesse Hollywoods an politischen bzw. historischen Inhalten.

Show-Appeal versus Gegenwartsdurchdringung also: Die Nacht brachte keinen klaren Sieger hervor. Dass Ang Lees esoterisch-universelle Filmparabel Life of Pi vor allem die technischen Auszeichnungen für sich entschied, war absehbar gewesen; der Oscar für die beste Regie für den US-taiwanesischen Regisseur, der schon für Brokeback Mountain ausgezeichnet wurde, kam allerdings überraschend. Hier war Steven Spielbergs für die Academy letztlich wohl zu strenge Demokratielektion Lincoln favorisiert worden, die mit dem Preis fürs Produktionsdesign und für Hauptdarsteller Daniel Day-Lewis hinter den Erwartungen blieb.

Rollentausch unter Heroen

Day-Lewis sorgte immerhin für eine der schönsten Dankesreden des Abends, die pathetisch begann, dann aber eine Kehrtwende ins Komische machte: Er hätte eigentlich Thatcher spielen sollen, Meryl Streep dagegen Lincoln. Bei den Frauen machte Jennifer Lawrence (Silver Linings Playbook) das Rennen, sie stürzte kurz auf der Treppe zur Bühne und gratulierte dann der unterlegenen Emmanuelle Riva, die ihren 86. Geburtstag feierte.

Die seltsamste Note des Abends folgte zum Schluss, als Jack Nicholson gemeinsam mit Michelle Obama, die dafür eigens aus dem Weißen Haus zugeschaltet wurde, den besten Film verkündete (Argo, der insgesamt drei Oscars gewann). Bei aller wechselseitigen Sympathie mutete dies selbst für die Entertainment-kundige US-Politik als allzu populistisches Signal an. Aber wer weiß, vielleicht findet die nächste Verleihung dann ja im Pentagon statt. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 26.2.2013)