Gewiss lohnt der Anblick des Cimon della Pala, des Matterhorns der Dolomiten, am Passo Rolle. Ja, schon das Erklimmen des Passes ist schön, vorbei an der millionenfach fotografierten zahmen Hirschkuh, die auf halber Strecke ganz ungehegt am Straßenrand zu stehen pflegt, um mit feuchten Augen den Verkehr zu betrachten.

Sich loszureißen und vom Pass hinab in Richtung San Martino di Castrozza zu rollen, empfiehlt sich allerdings auch. Und dabei Geigenklang zu lauschen, vielleicht etwas von Vivaldi. Denn unweit des Sees von Forte Buso erstreckt sich jener Teil des größten zusammenhängenden Forstes der Südalpen, aus dem die Venezianer Holz für ihre Schiffe schlugen, vor allem aber Generationen von Geigenbauern auf der Suche nach dem besten Klangholz fündig wurden.

Es wird erzählt, dass der große Antonio Stradivari selbst durch La Foresta dei Violini streifte, um etwa 170 Jahre alte, bis zu 40 Meter hohe Exemplare der Haselfichte zu markieren, deren Holz er dann in seiner Cremoneser Werkstatt in unübertreffliche Instrumente verwandelte. Im Sommer hängt der Wald einige Tage quasi voller Geigen. Auf seinen Lichtungen erklingen Lauten und Violinen, es wird ein Fest gefeiert. Gegenwärtig ist es ganz still dort. Und man muss schon sehr genau lauschen, um vielleicht L'Inverno zu hören, den Winter. (Sigi Lützow, DER STANDARD, 26.2.2013)