Wer sich auf illegalem Wege urheberrechtlich geschützte Inhalte besorgt, soll verwarnt und informiert werden, bevor im Extremfall eine temporäre Bandbreitendrosselung droht.

Foto: Center for Copyright Information

In den Vereinigten Staaten ist seit heute ein System in Betrieb, dass den illegalen Download von urheberrechtlich geschützten Inhalten eindämmen soll. Fünf große Internetprovider – AT&T, Cablevision, Time Warner, Comcast und Verizon - nehmen am "Copyright Alert System" teil.

Unbewusste Urheberrechtsverletzungen

Aufgrund seiner Funktionsweise wird der Mechanismus auch "Six Strikes" genannt. Wie The Verge erklärt, handelt es sich dabei um eine Kooperation zwischen den Providern und Urheberrechtsinhabern, darunter Musiklabel und Filmstudios. Das Hauptaugenmerk soll dabei nicht auf Strafen, sondern auf Information liegen.

"Wenn Menschen Dateien austauschen, können sie Urheberrechte verletzen, ohne sich dessen bewusst zu sein", erklärt ein Video des Center for Copyright Information, jener Gruppe, die für die Abwicklung des Copyright Alert System verantwortlich zeichnet.

Keine Durchsuchung von Nutzerdaten

Dabei verzichtet man auf die Untersuchung des User-Traffics durch die Provider. Wie gehabt durchforsten die Copyrightinhaber und ihre Auftragnehmer diverse Seiten, Filehoster und P2P-Tauschbörsen manuell und mit Hilfe von verschiedenen Tools nach verdächtigem Material. Werden sie fündig und können herausfinden, wer den jeweiligen Content teilt, erfolgt eine Meldung an den ISP.

Dieser ermittelt den Kunden mit Hilfe seiner IP-Adresse und stellt ihm eine "Copyright Alert Notice" zu. Je nachdem, wie oft der jeweilige Nutzer bereits auffällig geworden ist, handelt es sich dabei um eine schlichte Warnung, ein verpflichtend anzusehendes Video mit Informationen über Urheberrechtsverletzungen, ein Text, dessen Verständnis bestätigt werden muss oder – im Extremfall – eine Strafe durch Bandbreitenreduktion.

Unterschiedliche Vorgangsweisen

Wer wie schnell und in welchem Fall zu welchen Mitteln greift, kann von Provider zu Provider stark variieren. Das zeigen die Pläne von AT&T und Verizon, die zu Torrentfreak durchgesickert sind. AT&T-Kunden erhalten in den ersten drei Verdachtsfällen einfach nur warnende E-Mals.

Nach dem vierten und fünften Vorfall leitet der Aufruf "bestimmter Websites" automatisch zu einer "lehrreichen Seite" weiter, auf welcher ein kleines Tutorial absolviert werden muss, bevor die eigentlich gewünschte Seite angesurft werden kann. Nach dem fünften Mal wird der Nutzer zudem darauf hingewiesen, dass der Urheberrechtsinhaber klagen und den Dienstleister zur Herausgabe seiner Daten zwingen könnte.

Verizon leitet den Nutzer nach Verstoß Nummer fünf und sechs zudem auf eine Seite um, auf welcher er sich entscheiden kann, ob er ab sofort oder mit zweiwöchiger Verzögerung eine Bandbreitenlimitierung von 256 kbps für zwei bzw. drei Tage hinnimmt. Alternativ kann eine Prüfung der Verwarnung auf ihre Richtigkeit in Auftrag gegeben werden. Dafür ist jedoch eine Gebühr von 35 Dollar zu entrichten, die man zurück erhält, sofern die Beweislast durch den Urheberrechtsinhaber nicht ausreichend ist. Generell sollen User immer die Möglichkeit haben, sich an einen Dritten wenden zu können, wenn sie Verwarnungen für ungerechtfertigt halten.

Keine Abschaltungen

In keinem Fall vorgesehen ist eine komplette Abschaltung des Internetzugangs oder eine dauerhafte Drosselung. Das Center for Copyright Information verneint zudem aufgekommene Bedenken, dass man Nutzerdaten an die Rechteinhaber weitergeben würde. Nach dem sechsten "Strike" würde der Nutzer schlichtweg keine weiteren Warnungen mehr erhalten, erklärt Direktorin Jill Lesser in einem Radiointerview. "Denn solche User gehören nicht zu jenen, die wir mit einem solchen Programm erreichen können."

Nutzer von öffentlichen WLANs sollen nicht betroffen sein. Das "Copyright Alert System" wird nur für Vertragsnschlüsse angewandt. Im Beratungsgremium der Organisation befindet sich zudem Gigi Sohn, Chefin der Consumer-Lobbyorganisation Public Knowledge, die der Unternehmung auf die Finger schauen möchte. Ihre Position erklärt sie in einem Blogeintrag.

An den Normalverbraucher gerichtet

Geübtere Nutzer können das "Six Strikes"-System, das eigentlich schon vergangenes Jahr hätte starten sollen, relativ leicht umgehen. Dazu reicht es bereits auf, über einen VPN-Tunnel im Web zu surfen, die Maßnahme richtet sich aber ohnehin mehr an den Durchschnittsverbraucher.

Frankreich: Weiterbestand von "Hadopi" umstritten

Vergleichbare Systeme sind in anderen Ländern bereits in Kraft. In Frankreich wurde 2009 das wesentlich strengere "Hadopi" eingeführt, das seit 2010 in Kraft ist. Dort erfolgt in den ersten beiden Fällen eines vermuteten Verstoßes (wenn diese nicht länger als sechs Monate auseinander liegen) eine schriftliche Verwarnung, zuerst per E-Mail und dann als Brief. Nach dem dritten Mal können über ein eigenes Gerichtsverfahren verschiedene Strafen – etwa Zahlungen oder temporäre Internetsperrungen – ausgesprochen werden.

Derzeit wird laut Netzpolitik.org diskutiert, ob Hadopi mangels messbarem Erfolg, zugunsten einer größeren Haftung der Provider und anderer Maßnahmen, wieder eingestellt werden. Diesbezüglich bleibt abzuwarten, was mit der EU-weit gültigen E-Commerce-Richtlinie geschieht. (gpi, derStandard.at, 25.02.2013)