Wien - Es ist ein Reizwort in einem Land, in dem Bildung als öffentliches Gut gilt: Bildungsexport, also die wirtschaftliche Verwertung von Bildungsangeboten. In manchen Ländern gehört Bildung dagegen bereits seit Jahren zu den wichtigsten Exportgütern. Wie die Lage in Österreich ist, lässt sich mangels Daten schwer sagen; Studien sehen aber eine Menge ungenutztes Potenzial. Bei der internationalen Tagung "Exporting Education" wollen Wirtschaftskammer (WKÖ) und Österreichischer Austauschdienst (OeAD) ausloten, wie ein marktwirtschaftlicherer Zugang Österreichs zum Thema Bildung aussehen könnte.

In Zeiten von Budgetknappheit werde auch in Österreich immer öfter die Frage gestellt, ob der Verkauf des eigenen Bildungsangebots neue Einnahmen bringen könnte. Internationale Beispiele sollen mögliche Modelle für Österreich aufzeigen, heißt es in der Tagungseinladung der WKÖ. Neben der wirtschaftlichen Komponente gehe es bei Bildungsexport aber auch darum, Wissenstransfer über die Grenzen hinaus zu fördern, betont OeAD-Chef Hubert Dürrstein. Laut Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (ÖVP) setzen sein Ressort, Unis und Fachhochschulen (FH) schon jetzt "zahlreiche Initiativen und Maßnahmen" für internationalen Austausch - von Lektorats- und Mobilitätsprogrammen über bilaterale Kooperationen mit Hochschulen im Ausland bis zu Abkommen zur Förderung der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit.

Wie es derzeit insgesamt um den österreichischen Bildungsexport bestellt ist, lässt sich aufgrund der Datenlage jedoch nur schwer sagen. Laut Nationalbank hat Österreich 2011 rund 24 Millionen Euro und damit doppelt so viel wie noch zehn Jahre zuvor mit Bildungsexport (Seminare, Online-Angebote für Ausländer) eingenommen. Dabei wurden allerdings die - etwa im australischen Bildungsexport extrem wichtigen - ausländischen Studenten im eigenen Land nicht berücksichtigt.

Wifo ortet Potenzial

Eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) aus 2010 ortete viel ungenutztes Potenzial bei Bildungsexporten: Demnach läge das mögliche Exportvolumen bei 360 Millionen Euro und wäre damit 20 Mal so groß wie zum Erhebungszeitpunkt. Das Wifo musste mangels Daten allerdings Zahlen aus Deutschland hochrechnen.

Derzeit gibt es an heimischen Hochschulen 80.500 ausländische Studenten (Stand Wintersemester 2011). Damit machen Ausländer an den Privatunis fast 40, an den Unis rund 25 und an den FH 13 Prozent aller Studenten aus. Der Definition von Bildungsexport entsprechen laut einer Studie des Instituts für Bildungsforschung in der Wirtschaft (ibw) aus 2010 aber nur Universitätslehrgänge bzw. jene Privatuniversitäten, die sich überwiegend aus Studienbeiträgen finanzieren (Private Medizin-Unis UMIT in Tirol und Paracelsus in Salzburg, Sigmund Freud Privatuni und Modul University in Wien). Dazu kommen Angebote öffentlicher wie privater Anbieter, etwa der Diplomatischen Akademie oder der IMADEC University. Noch nicht berücksichtigt ist dabei außerdem, dass FH mittlerweile von Ausländern Studiengebühren bis zur Kostendeckung einheben dürfen.

Bisher nur "eine relativ kleine Rolle" beim Umsatzvolumen spielen laut ibw in Österreich im Bildungsexport Bildungsdienstleistungen heimischer Institutionen und Unternehmen im Ausland. Trotzdem ist das Angebot vielfältig und reicht von Kursen von bfi, Wifi International und Wirtschaftskammer über ein gemeinsames Chemie-Masterstudium der Uni Linz mit der Uni Budweis bis zu diversen Double Degrees und Kooperationsprogrammen von Fachhochschulen mit ausländischen Hochschulen von Europa bis nach Aserbaidschan, Oman und Vietnam. Im Bereich der beruflichen Bildung gibt es hingegen laut ibw bis auf wenige Ausnahmen kaum Angebote. Anders ist die Lage in Deutschland, wo man seit einigen Jahren die Erschließung internationaler Märkte für das duale Berufsaufbildungssystem mit seiner Mischung aus Theorie und Praxis forciert.

Australien als Vorzeigeland

Als Vorzeigeland in Sachen "Bildungsexport" gilt seit zwei Jahrzehnten Australien. Bildung ist dort nach Eisen, Kohle und Gold der viertwichtigste Exportfaktor und generiert mit 14,768 Milliarden Australischer Dollars (11,467 Milliarden Euro) mehr Mittel als der Tourismus. Dabei umfassen diese Zahlen nur die Ausgaben ausländischer Studenten für Studiengebühren, Waren und Dienstleistungen innerhalb von Australien. Australische Bildungsangebote im Ausland, etwa Ableger australischer Unis in Asien, werden nicht erfasst.

Zu Spitzenzeiten kamen 25 Prozent der Bachelor- und 40 Prozent der Master- und PhD-Studenten an australischen Unis aus dem Ausland. Der Plafond dürfte laut einer Studie der University of Sydney allerdings erreicht sein: Hat sich das Einkommen aus Bildungsexport zwischen 1990 und 2010 noch alle fünf Jahre verdoppelt, gehen die Zahlen seit 2009/10 (17,350 Milliarden Dollar) zurück. Grund sind "aggressive" Versuche anderer Länder, Studenten abzuwerben: Alleine 2011 sei an US-Unis die Zahl chinesischer Bachelor-Studenten um 43 Prozent gestiegen. Gleichzeitig haben asiatische Länder selbst den Bildungsexport als Einnahmequelle für sich entdeckt. China etwa plant, bis 2020 die Zahl ausländischer Studenten an seinen Unis auf über 500.000 zu verdoppeln. Dazu kommen Versuche ambitionierter US-Privatunis, etwa in China multinationale Unis zu gründen und günstige bis kostenlose Online-Angebote privater Unternehmen, aber auch arrivierter Unis wie dem Massachusetts Institute of Technology. (APA, 25.2.2013)