Als Bewegungsexperten bezeichnen sie sich gerne, als Lehrer, die Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen helfen, Defizite so gut als möglich wieder auszugleichen. Physiotherapie spielt eine tragende Rolle in der Behandlung und Rehabilitation ganz unterschiedlicher Erkrankungen: "Wir geben eine sehr genaue Anleitung, wie Patienten mit ihren jeweiligen Beschwerden bestmöglich zurechtkommen und bei der Heilung mitwirken können", sagt Constance Schlegl von der Berufsvereinigung Physio Austria, wo sie Vorsitzende des Landesverbandes Wien ist. Sie und ihre Kolleginnen arbeiten mit Menschen jeglichen Alters.

Bereits bei Frühgeborenen spielt Physiotherapie eine ganz wesentliche Rolle. Sie schult die eigene Körperwahrnehmung der Frühchen und hat das Ziel, allfällige motorische Defizite - etwa jene, die durch Sauerstoffunterversorgung während der Geburt entstanden sind - auszugleichen. "Der spielerische Ansatz ist bei der Arbeit mit Kindern ganz entscheidend", sagt Schlegl und meint damit alle jungen Patienten bis ins Teenageralter. Schlechte Körperhaltung, Wirbelsäulenverkrümmungen (Skoliose) oder Fußfehlstellungen und die sich daraus ergebenden Beschwerden sind die Haupteinsatzgebiete der Physiotherapeuten. "Wir sehen unsere Rolle zunehmend auch in der Prävention, im besten Fall schaffen wir es, Bewegung als Grundbedürfnis im Alltag von Kindern zu verankern", sagt sie. Angesichts zunehmender Dickleibigkeit, steigender Anzahl von ADHS-Kindern (Aufmerksamkeitsdefizit-Störung) würde das ohnehin ein immer wichtigeres Thema werden.

Eigenständigkeit fördern

Mit Physiotherapie kommen aber auch all jene in Berührung, die sich verletzt haben und wieder fit werden wollen, auch Patienten mit Rückenschmerzen seien in den letzten Jahren immer zahlreicher geworden. "Wenn ein Schmerz zum ersten Mal auftritt und nicht fachgerecht behandelt wird, kann er sich in einen chronischen Schmerz verwandeln", weiß Schlegl, die genau das verhindern helfen kann. Allerdings: Die Patienten zu Eigenverantwortung zu motivieren ist auch Teil ihres Jobs.

In der Generation über 50 Jahre sind Physiotherapeuten häufig mit Abnützungserscheinungen konfrontiert. Auch Sturzprävention ist ein zentrales Thema. Eine der wichtigsten Aufgaben von Physiotherapie ist die Rehabilitation nach Schlaganfällen und anderen neurologischen Erkrankungen wie etwa Multiple Sklerose. So lange wie möglich die Eigenständigkeit von Patienten zu fördern, darum geht es bei Physiotherapie.

Versorgungsdefizite reduzieren

"Wir sind vom Lebensanfang bis zum -ende schmerzlindernd", sagt Schlegl und bedauert, dass besonders die freiberuflichen Physiotherapeuten unter schlechten Arbeitsbedingungen leiden. Es gibt viel zu wenige Verträge mit den Krankenkassen, und die meisten Patienten können sich Physiotherapie aus der eigenen Kasse nicht leisten, die Zuschüsse von den Krankenkassen sind minimal.

"Wir wollen Physiotherapie als Versicherungsleistung ohne Selbstbehalt in allen österreichischen Bundesländern verankern", so Schlegl, vor allem deshalb weil Physiotherapie Menschen dabei unterstützt, trotz Beeinträchtigungen daheim leben zu können. Physiotherapeuten sollten Patienten ohne finanzielle und bürokratische Hürden auch zu Hause betreuen können, so Schlegl, das erspare dem System langfristig enorme Kosten. (Karin Pollack, DER STANDARD, 25.2.2013)