Pretoria - Auch der Bruder des unter Mordverdacht stehenden Paralympics-Stars Oscar Pistorius muss sich vor Gericht verantworten. Er soll bei einem tödlichen Verkehrsunfall im Jahr 2010 höchst rücksichtlos gehandelt haben.

Carl Pistorius sei wegen fahrlässiger Tötung angeklagt und müsse Ende März vor Gericht erscheinen, bestätigte der Anwalt der Familie, Kenny Oldwage, am Sonntag. Oscar Pistorius, der am Valentinstag seine Freundin Reeva Steenkamp erschossen hatte, verbrachte nach rund einer Woche Haft das erste Wochenende in Freiheit.

Gerichtstermin vergangene Woche

Der Unfall, wegen dem Carl Pistorius angeklagt ist, hatte sich nahe Vanderbijlpark südlich von Johannesburg ereignet. Eine Motorradfahrerin war dabei ums Leben gekommen. Der Blutprobe zufolge stand der Beschuldigte aber nicht unter Alkoholeinfluss.

Bereits in der vergangenen Woche gab es einen ersten Gerichtstermin, der jedoch nicht öffentlich geworden war. Der 28-Jährige wird ebenso wie sein jüngerer Bruder von Oldwage vertreten. "Es gibt keinen Zweifel, dass Carl unschuldig ist", hieß es in einer Mitteilung des Star-Verteidigers. "Carl bereut den Unfall zutiefst."

Oscar Pistorius zurück bei Familie

Unterdessen kehrte der unter Mordverdacht stehende 26-jährige Oscar Pistorius nach acht Tagen Haft zu seiner Familie zurück. Ein Gericht in Pretoria hatte ihn am Freitag auf Kaution entlassen. Der Paralympics-Star verbrachte das Wochenende im Haus seine Onkels im Stadtteil Waterkloof. "Wir sind sehr dankbar, dass Oscar jetzt zu Hause ist", teilte Arnold Pistorius auf der Webseite der Familie mit. "Was geschehen ist, hat unsere Leben für immer verändert."

Die Staatsanwaltschaft beschuldigt den Profi-Läufer, seine 29-jährige Freundin vorsätzlich durch die geschlossene Badezimmertür erschossen zu haben. Pistorius sagt, er habe sie aus Versehen erschossen, weil er dachte, im Badezimmer sei ein Einbrecher. Steenkamp starb in den frühen Morgenstunden des 14. Februar.

Vertrauter von Steenkamp in den Medien

Ein enger Vertrauter Steenkamps glaubt nicht an Oscars Version. "Ich hoffe, dass er eine lange Strafe bekommt, das ist es, was er verdient", sagte Cecil Myers, in dessen Haus in Johannesburg Steenkamp zeitweise gewohnt hatte, der Zeitung "City Press". "Die Leute werden ihn meiden, auch Frauen, denn sie werden zu viel Angst vor ihm haben."

"Ihr Vater hat mich bei der Beerdigung seinen Freunden als 'Reevas Vater aus Johannesburg' vorgestellt und mir dafür gedankt, dass ich mich so gut um seine Tochter gekümmert habe", sagte Myers weiter. "Aber wie gut habe ich mich letztlich um sie gekümmert? Sie wurde erschossen."

Pistorius will Kontakt herstellen

Myers war auch einer derjenigen, der Reeva nach ihrem Tod identifizieren sollte. "Wir haben durch eine Glasscheibe geblickt. (...) Glücklicherweise war mein Sohn für mich da, denn ich bin zusammengebrochen", erklärte er. "Ich werde nie vergessen, wie sie da aussah."

Pistorius will den Kontakt zu Reevas Familie suchen. Dies erklärte er nach der Haftentlassung gegenüber Familienmitgliedern. "Reevas Familie ist immer in seinen Gedanken, und er möchte gerne in Zukunft ein Teil dieser Familie sein", sagte sein Onkel.

Vater appelliert an Gewissen

Es war unklar, ob Steenkamps Angehörige den Kontakt wünschen. Vater Barry appellierte an das Gewissen des Athleten. "Es ist egal, wie viel Geld er hat oder wie gut sein Anwaltsteam ist, er muss mit seinem Gewissen leben, falls er es der Verteidigung erlaubt, für ihn zu lügen", sagte er dem Blatt "Beeld".

"Wenn er die Wahrheit sagt, dann kann ich ihm vielleicht eines Tages vergeben", fügte Barry Steenkamp hinzu. "Aber wenn es nicht so war, wie er sagt, dann muss er leiden, und er wird leiden."

Opfer wird weiter in TV-Serie gezeigt

Der Sender SABC strahlte unterdessen am Samstagabend eine weitere Folge der südafrikanischen Variante von "Ich bin ein Star - holt mich raus" aus, an der Reeva Steenkamp kurz vor ihrem Tod teilgenommen hatte. Auf der Webseite der Show "Tropika Island of Treasure" ist zu lesen: "Wir sind sehr traurig und sprechen Steenkamps Familie und Freunden unser Beileid aus."

Pistorius hatte am Freitag eine erste Kautionsrate in Höhe von 100 000 Rand (8500 Euro) gezahlt und war daraufhin entlassen worden. Als Gesamtbetrag hatte Richter Desmond Nair eine Million Rand festgesetzt. Das Geld muss der Sportler bis zum 1. März hinterlegen.

Fans posten auf Pistorius-Website

Tausende Fans aus aller Welt schickten Nachrichten an die offizielle Webseite des Athleten, um ihre Solidarität zu zeigen. "Ganz egal, was die Welt sagt, du bist und bleibst mein Champion und mein Held", schrieb eine Verehrerin. "Oscar, wir lieben dich!", postete ein anderer Fan. Aber es hatte auch kritische Stimmen gegeben, die nach der Kautions-Entscheidung eine Vorzugsbehandlung des berühmten weißen Stars anprangerten.

Am 4. Juni muss der Leichtathlet erneut vor Gericht erscheinen. Wird Pistorius wegen vorsätzlichen Mordes schuldig gesprochen, droht ihm eine Haftstrafe zwischen 15 Jahren und lebenslänglich. (APA, 24.2.2013)