"Noch ist das Traumlager ziemlich leer. In zehn Jahren wird alles bis zur Decke angerammelt sein." Peter Kern in seiner Requisitenwohnung in Wien-Landstraße.

Foto: Lisi Specht

Am Freitag startet in den Kinos der Dokumentarfilm "Kern", in dem der Wiener Filmemacher und Schauspieler Peter Kern vor der Kamera vom Leben und Wohnen erzählt. Wojciech Czaja stattete ihm einen Besuch ab.

"Ich wohne in der Großfeldsiedlung in Wien-Floridsdorf. Das ist eine stinknormale Gemeindewohnung, die genau so ist, wie man sich eine Gemeindewohnung in der Großfeldsiedlung vorstellt. Aus den Ecken riechen und schmecken die Geschichten der Arbeiterfamilie, die hier früher fast 50 Jahre gelebt hat. Die Tapeten fallen schon von den Wänden, und die alte Gastherme vergiftet meine Sinne.

Andererseits benütze ich ein Requisitenlager, in das ich mich manchmal für unbestimmte Zeit zurückziehe, um an meinen Filmdrehbüchern zu schreiben. Das ist eine ehemalige Garage mit 55 Quadratmetern und einem herrlichen Garten. Ohne Garten wäre die Fantasie hier schon längst ausgezogen. Ich sitze gerne draußen, am liebsten unter dem Plastikbaldachin. Wenn es regnet und das Wasser auf das Dach prasselt, dann höre ich das dumme Gemurmel rundherum nicht mehr. Man sieht den Garten auch im neuen Kinofilm "Kern", der jetzt bald anläuft. Das ist die einzige Szene, bei der ich glücklich bin und tanze. Ansonsten zeigt mich der Film mit all meinen Facetten und Wahrheiten, und das ist nicht immer nur schmeichelnd.

Aber egal. Wohnen selbst bedeutet mir nichts. Und von Raumgestaltung und Design halte ich auch nichts. Ob das Kastl jetzt gelb oder grün ist, das ist mir völlig wurscht. Der einzige Wert, den ich in der Ästhetik der Gegenstände erkenne, ist die dramaturgische Bedeutung als Filmkulisse. Ich kann einem Ding nur dann etwas abgewinnen, wenn ich es durch die Brille des Filmemachers betrachte.

So gesehen ist das Atelier ein Abstellraum vergessener Träume. Die Tatsache, dass hier Rot und Schwarz dominieren und dass das alles ein bisschen imperialistisch wirkt, hat nichts mit mir zu tun, sondern nur mit meinen Filmen. Die meisten Möbel hier sind Requisiten. Das Bild über mir etwa stammt aus dem Film "Diamantenfieber", das Stillleben mit dem matten Obst stammt aus "Mörderschwestern". Alles hier hat seinen Ursprung. Allerdings ist das Traumlager noch ziemlich leer und muss erst noch befüllt werden. In zehn Jahren, schätze ich, wird dieses Zimmer bis zur Decke angerammelt sein.

Doch vor allem ist dieser Platz eine Art Insel für mich. Ich kann mich hier konzentrieren. Nichts lenkt mich ab. Nichts zieht seine Aufmerksamkeit auf mich. Wenn ich hier bin, scheint Wien so unendlich weit weg. Ich hasse Wien. Wien ist ein Gefängnis für mich. Für jemanden wie mich ist das die schlimmste Stadt auf Erden überhaupt. Doch gleichzeitig ist diese Frustration auch ein Antriebsmittel für meine Kunst.

Die beiden wichtigsten Möbelstücke sind mein Drehstuhl und mein Bett. Beides wird von den Menschen unterschätzt. Der Drehstuhl leidet unter meinem enormen Körpergewicht, und nur, weil die Industrie will, dass nichts ewig hält und dass man immer weiter konsumiert, ist die Hydraulik nach zwölf Monaten hin, und ich muss mir jedes Jahr einen neuen Drehstuhl zulegen. Da ist das Bett schon besser. Mit dem Bett habe ich Glück. Da gerate ich so richtig schön ins Schwingen.

Und wenn ich dann so schwinge, träume ich davon, wie ich gerne wohnen würde. Ich hätte gern eine Wohnung ohne Kommunikationsmittel, abgeschottet von der Außenwelt, in der es nur ein Bett und einen riesengroßen Swimmingpool gibt. Außerdem würde es eine kleine Durchreiche geben, durch die man mir dann das Essen zuschieben könnte. Doch am allerliebsten würde ich in einem Luxushotel wohnen. Der Hotelluxus ist die einzige Form des Wohnens, wo andere Menschen wollen, dass es mir gut geht. Nur leider kann ich es mir nicht leisten, jede Nacht 150 Euro fürs Geliebtwerden auszugeben." (DER STANDARD, 23./24.2.2013)