Florian Scheuba vom Team der Staatskünstler glaubt nicht, dass Gerhard Dörfler (FPK) nach der Wahl Landeshauptmann in Kärnten bleibt. Bei den letzten Besuchen – die Staatskünstler verteilten Anti-Schutzgeld-Pickerl – habe sich gezeigt, dass "viele drauf gekommen sind, was für ein unglaubliches Idiotensystem da an der Macht ist", sagt sein Kollege Robert Palfrader. Am 3. März, dem Tag der Landtagswahl, werde sich einiges tun, sind beide überzeugt.

In ihren Programmen thematisieren Scheuba und Palfrader gemeinsam mit dem dritten Staatskünstler Thomas Maurer aktuelle politische Geschehnisse. Satire könne Politik zwar nicht kontrollieren, aber dafür "Bewusstsein auf Sachen lenken", sagt Palfrader. Warum Frank Stronach leicht zu parodieren sei, und weshalb man den Staatsanwälten keine Schuld für lange Verfahren geben könne, sagen die Staatskünstler im Interview mit derStandard.at.

derStandard.at: Sie waren vor ein paar Monaten in Kärnten, um Anti-Schutzgeld-Pickerl an Unternehmer zu verteilen. Darauf stand zu lesen: "Diese Firma ist so frei, zahlt kein Geld an die Partei." Wie waren die Reaktionen der Leute?

Scheuba: Wir haben uns sehr gewundert, weil sie ausnahmslos positiv waren. Wir sind runtergefahren mit dem Pickerl und haben schon damit gerechnet, dass die Aktion polarisieren wird. Das war aber nicht der Fall. Wir sind damit auf der Straße gestanden, haben Leute angesprochen und es kam keine einzige negative Rückmeldung. Das hat uns schon sehr gefreut. Dann ist die Aktion ins Laufen gekommen und wir haben die Pickerl in der Sendung promotet. Wir hatten ein paar hundert auf unsere eigenen Kosten produziert, mittlerweile sind 7.000 weg.

Palfrader: Es gab diese Vielzahl von freundlichen Gesichtern und nach oben zeigende Daumen, geklopfte Schultern und zwar quer durch die Bevölkerung. Ich glaube, die haben ganz schwer die Schnauze voll. Da sind sehr viele drauf gekommen, was für ein unglaubliches Idiotensystem da an der Macht ist.

Wenn man den Herrn Dobernig hört, wie er von der Finanzpolitik schwärmt, wie super sie Kärnten nach vorne gebracht haben. Da kann man eigentlich nur noch die neunschwänzige Elefantenpeitsche auspacken und sagen: ich bring dich jetzt zur Vernunft, Bursche. Das ist ja unfassbar, oder? Was für eine Chuzpe.

derStandard.at: Wie kann das sein, dass das Land von solchen Politikern regiert wird und die Bürger das aber gar nicht wollen?

Scheuba: Ich glaube, dass sich was tun wird am 3. März. Es wäre zwar eine Illusion zu glauben, dass die FPK niemand mehr wählen wird. So ein System, das auf Korruption aufgebaut ist, hat ja auch immer Leute, die davon profitieren. Es gibt sicher ein Hardcore-Klientel, das immer die Freiheitlichen wählen wird und es gibt auch welche, die vom System profitiert haben. Ich glaube, die Leute spüren auch, dass das langsam zu Ende geht.

Foto: Marion Bangerter

derStandard.at: Schon vor der Aktion der Staatskünstler sind Sie oft in Kärnten aufgetreten. Wie kann man die Atmosphäre beschreiben?

Palfrader: Es gab diesen legendären Auftritt, den wir bei unserem Programm "Männer fürs Grobe" hatten. Es war eine Textpassage über Jörg Haider drinnen, wo der Florian wunderbar den Schulunterricht eines Kärntner Kindes nachgemacht hat. Erzähl das, komm, sags noch einmal!

Scheuba: Bildungsreferent war zu der Zeit Uwe Scheuch. Das fand ich sehr skurril. Das ist so wie wenn Ottfried Fischer Präsident von den Weight Watchers wird. Ich habe fantasiert, was Kinder lernen, wenn Uwe Scheuch für den Lehrplan zuständig ist und habe ein neues Schulfach erfunden, eine Kombination aus Physik und Heimatkunde. Da wurde gelehrt: "In Kärnten ist die Sonne vom Himmel gefallen – wenn die Sonne vom Himmel fällt, hat sie 170 km/h, 1,8 Promille und ist noch ein bisschen wärmer als man vorher geglaubt hat." Da hat der Robert Bedenken gehabt.

Palfrader: Ich hatte keine Bedenken, die Pointe zu spielen. Ich habe nur Bedenken gehabt, weil wir an der Klagenfurter Uni gespielt haben. Es sitzen 700 Leute im Saal. Wenn sich da 10 bis 15 Burschen eine Karte kaufen, um uns beiden einmal ordentlich eine aufzulegen, dann gibt’s nichts und niemanden, der sie aufhalten kann. Sicherheitshalber haben wir einen Freund von uns, einen Kärntner, in die erste Reihe gesetzt. Der kennt sich aus, wie man jemanden verteidigt. Außerdem war unser Auftritt kurz nachdem dem Manager von Grissemann und Stermann die Radkappen gelockert wurden.

derStandard.at: Aber ihre Bedenken waren zu Unrecht, wie sich später herausgestellt hat.

Palfrader: Es gab dann Standing Ovations.

Scheuba: Das war wie bei einem Tor im Länderspiel.

Palfrader: Stellen Sie sich vor, Österreich spielt im EM-Finale gegen Deutschland und schießt in der 92. Minute das 3:2. So ein Applaus war das! Wir sind peinlich berührt auf der Bühne herumgestanden, weil wir nicht gewusst haben, was wir jetzt noch machen sollen. Die haben nicht aufgehört zu applaudieren. Irgendwann weißt du nicht mehr, wo du hinsollst mit deinen Händen und wo du hinschauen sollst.

Foto: Marion Bangerter

derStandard.at: Es wird heute auch viel über das System Haider geredet. Wie sah es aus?

Scheuba: Haider hatte Charisma, Haider war intelligent. Das sind zwei Eigenschaften, die seine Nachfolger nicht mehr haben. Er hat ganz wesentlich auf das Minderwertigkeitsgefühl aufgebaut, das es in Kärnten immer gegeben hat. Kärnten hat sich oft benachteiligt gefühlt. Der Effekt "Wir gegen Wien", "Wir gegen die anderen", ist sehr leicht in Kärnten loszutreten.

Es gab immer schon ein extremes Obrigkeitsdenken. Haider hat auf dem aufbauen können, war aber gleichzeitig jung, fesch, dynamisch und hat vielen Kärntnern das Gefühl gegeben, der tut wirklich was für sie. Bis zu einem gewissen Grad bedeutet das System Haider, das Land in Geiselhaft zu nehmen. Darum war es auch für mich wichtig, bei der Arbeit, wenn man über Kärnten spricht, es nicht zu verallgemeinern.

derStandard.at: Sie haben schon vor einiger Zeit ein Programm über Jörg Haider geschrieben. Gibt der jetzige FP-Chef auch genug her für ein ganzes Programm?

Scheuba: Nein, definitiv nicht. Haider war ein komplexes Phänomen. Er hatte eine Katalysator-Funktion, die auch viel über unsere Mediengesellschaft sagt, er war eine schillernde Figur und er hatte auch eine Begabung. Es war hochinteressant sich mit Haider auseinanderzusetzen, bei Strache ist ja nix da. Wir haben in unserer Tour-Fassung eine Stelle, wo wir darüber reden, wer dieser Hans-Christian Strache (sic!) war. Er lässt seine Rülpser einfach ab, aber das ist irrelevant. Da kann man gleich den Stronach wählen.

derStandard.at: Wenn Sie Stronach parodieren, sind Sie ihm zum Verwechseln ähnlich.

Scheuba: Danke.

Palfrader: Ich bin mir nicht sicher, wer da jetzt wen imitiert.

derStandard.at: Wie haben Sie Stronach einstudiert?

Scheuba: Einstudiert habe ich ihn gar nicht so viel. Stronach ist durch seine Auftritte schon so nahe an der Satire gebaut. Wir haben in der Sendung die Erfahrung gemacht, dass wir ihn Sachen sagen haben lassen, die er dann zwei Wochen später wirklich gesagt hat, wie zum Beispiel das mit dem Kaufen der Medien. Das war faszinierend. Man kann ihn fast nicht überhöhen.

Palfrader: Florian läuft, bevor wir zu drehen beginnen, mit dem Schädel gegen die Wand. Die zeitlich begrenzten Schäden reichen dafür aus, um Frank Stronach perfekt zu imitieren. Die langfristigen zerebralen Schäden sind noch nicht absehbar.

Scheuba (imitiert Stronach): Man muss mich umprogrammieren.

derStandard.at: Zurück zu Kärnten: Das Birnbacher-Gutachten war schon Teil Ihres Programms "Männer für Grobe". Hat Satire auch eine kontrollierende Funktion?

Scheuba: Kontrollieren ist vielleicht zu viel gesagt, aber wir können Bewusstsein auf Sachen lenken.

Palfrader: Wir können Dinge, die medial unterrepräsentiert waren, noch einmal humoristisch aufgreifen und satirisch aufladen. Wie bei Birnbacher: ihn einfach durch Redundanz in die Köpfe der Menschen wieder hineinbekommen.

Scheuba: Wir mussten es den Menschen einfach nur erzählen. Am Anfang wurde uns es vom Publikum nicht geglaubt, sie haben gedacht, dass wir das erfunden haben. Das ist so absurd, das kann nicht sein.

derStandard.at: Sie haben auch über den ehemaligen Kärntner VP-Chef Martinz gesagt, dass man ihn sich anschauen muss und ein Jahr später ist er – nicht rechtskräftig – zu fünf Jahren Haft verurteilt worden.

Scheuba: Wir wollen uns nicht mit falschen Lorbeeren schmücken, aber es ist wichtig das zu thematisieren. Es gibt so viel in Österreich und es besteht die Gefahr, dass es untergeht. Es gibt Themen, die wir uns immer wieder hernehmen, wo wir finden, dass es noch nicht gut genug durchgedrungen ist.

Palfrader: Das ist letztlich der Job von der Staatsanwaltschaft. Das ist nicht unser Job. Aber es gibt halt Dinge, die uns wundern und über die reden wir. Wenn wir uns schon wundern dürfen: Es gibt eine Anklage wegen Steuerhinterziehung gegen einen bestimmten Staatsbürger, die angeblich schon fix und fertig ist, die bis jetzt noch nicht eingereicht wurde. Wir wissen nicht warum.

derStandard.at: Die Anklage gegen Karl-Heinz Grasser?

Palfrader: Sehen Sie: Wir machen uns dieselben Gedanken.

Scheuba: Die Geschichte, dass seine Schwiegermutter seine Anlagefähigkeiten als Finanzminister ausgetestet hat, ist um nichts besser als die Geschichte, Strasser habe Geheimagenten entlarven wollen und ist deshalb zum Schein auf ihre Angebote eingegangen. Das ist genauso absurd.

Foto: Marion Bangerter

derStandard.at: Wie bewerten Sie die Arbeit der Justiz?

Palfrader: Die haben es sehr, sehr schwer. Man muss die Staatsanwälte auch einmal in Schutz nehmen. Wenn ein Heer von Anwälten, wie es der Herr Meinl zum Beispiel hat, einen Staatsanwalt mit Anfragen und Eingaben zudeckt, dann ist es unfair dem Staatsanwalt vorzuwerfen, dass er zu lange braucht.

Scheuba: Es herrscht keine Waffengleichheit. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ist sehr ehrbar und macht einen guten Job, aber das sind einfach hochkomplexe Fälle.

Palfrader: Das sind Terabytes an Daten, das muss auch einmal jemand lesen, durcharbeiten und verstehen. Wenn bei jeder Seite, die man aufschlägt ein neues Eiterwimmerl aufplatzt, dann kommt bald der Ruf nach mehr Personal. Das tun sie schon seit Jahren und sie kriegen einfach nicht mehr Personal. Schauen Sie sich die internationalen Vergleiche an: wieviel Prozent des BIPs für solche Aufgaben des Staates zur Verfügung gestellt wird. Das ist in Österreich sehr gering.

derStandard.at: Sind Sie enttäuscht, dass der Besuch von Grassers Seegrundstück keine juristischen Folgen hatte?

Scheuba: Naja, da hätten wir dann vor Gericht erörtern müssen, wem die Villa wirklich gehört. Da ist Grasser dann draufgekommen. Da hätten wir reden müssen, wem gehört die Stiftung, wie es möglich ist, dass er und seine Gattin trotzdem den Umbau geleitet haben. Auch seine Behauptung, dass es seinen Eltern gehört, hätten wir durch einen einfachen Blick ins Grundbuch widerlegen können. Das war mäßig überraschend, dass da keine Klage gekommen ist.

Palfrader: Eine Anzeige ist sogar von der Staatsanwaltschaft zurückgelegt worden. Hast du es schon bekommen?

Scheuba: Nein. Der Stadler?

Palfrader: Ja, wegen der "Bussi Riots" im St. Pöltner Dom.

Scheuba: Wie blamabel für den Stadler.

derStandard.at: Was ist Ihre Prognose: Bleibt Dörfler Landeshauptmann?

Scheuba: Ich kann es mir nicht vorstellen. Eine absolute Mehrheit wird er nicht bekommen. Wer soll ihn wählen? Wunderheiler Köfer vom Team Stronach ist es zuzutrauen. Wenn das BZÖ ihn auch noch einmal wählt, wäre das die komplette Selbstaufgabe. Außerdem glaube ich nicht, dass die drei eine Mehrheit stellen würden. Bei den anderen bin ich mir sicher. Weder die ÖVP, noch die SPÖ noch die Grünen werden ihn zum Landeshauptmann wählen. Es wird eng für ihn werden. (Marie-Theres Egyed, Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 24.2.2013)