Alle Welt fragt sich, was Benedikt XVI. jetzt bald machen wird in dem Nonnenkloster innerhalb der Mauern des Vatikans. Der kritischen katholischen Theologin (Lehrbefugnis schon längst entzogen) Uta Ranke-Heinemann verdanken wir jedoch einen Einblick in das, was der frühe Joseph Ratzinger seinerzeit nicht gemacht hat: Er hat Uta Ranke-Heinemann nicht geküsst.

Uta Ranke-Heinemann erinnert sich im Gespräch mit derStandard.at an die gemeinsame Studienzeit 1953/54: "Ich sehe uns noch, wie wir beide einsam in einem der großen Hörsäle nebeneinander sitzen und die Thesen unserer Doktorarbeiten ins Lateinische übersetzen ... Ich hatte damals unter den Studenten einen gesucht, der für mich als bereits Verlobte infrage kam und mir nicht plötzlich einen Kuss auf die Backe drückt, wenn wir stundenlang mutterseelenallein abends in einem der großen, leeren Hörsäle sitzen und übersetzen. Er hatte schon immer die Aura eines Kardinals, hochintelligent bei Abwesenheit jeglicher Erotik."

Später hat Frau Ranke-Heinemann den katholischen Klerus in einem Bestseller als "Eunuchen für das Himmelreich" bezeichnet. Sie hat sich allerdings auch von praktisch allen zentralen Glaubensinhalten gelöst. Wir wissen jetzt immerhin, dass von Ratzinger für Frau Ranke-Heinemann keine erotische Gefahr ausging. Das wird das Bild dieses Papstes für die Nachwelt aber wohl nicht mehr entscheidend verändern. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 22.2.2013)