Budapest - Über die ungarische Studentenvertretung (HÖK) der Philologischen Fakultät der Budapester Universität Eötvos Lorant (ELTE) ist am Donnerstag ein Tätigkeitsverbot verhängt worden. Der Grund: Die HÖK soll jahrelang über Studienanfänger Listen geführt haben, eingeteilt nach Kategorien wie Weltanschauung, Parteisympathie, Religion und Abstammung. Diese Listen gelangten mittels des privaten Fernsehsenders ATV an die Öffentlichkeit. Neben den Namen der Studenten sind Anmerkungen zu lesen, wie "Er hat einen hässlichen Judenkopf" oder "Sie ist ein dummes evangelisches Mädchen". Die HÖK gab zu, solche Listen zu führe, behauptet aber zugleich, die "peinlichen Anmerkungen" seien "hineingefälscht" worden.

U-Ausschuss an Uni gegründet

Laut dem Dekan der ELTE, Barna Mezey, wurde ein Untersuchungsausschuss an der Univerität gegründet und zugleich Anzeige bei der Polizei erstattet. Der Ausschuss soll auch untersuchen, ob die HÖK auf "politischen Befehl" arbeitete. Proteste gegen Listen, die es angeblich auch über Studenten der Medizinischen Universität Semmelweis geben soll, kamen sowohl von Regierungs- als auch Oppositionsseite sowie der Israelitischen Glaubensgemeinde "Für ein einheitliches Ungarn". Laut der Behörde für Nationalen Datenschutz und Informationsfreiheit (NAIH) verletzen die Listen die "menschliche Würde" und könnten hinsichtlich des Verdachts der Verleumdung und Ehrenverletzung als Straftat interpretiert werden.

Anmerkungen werden bestritten

Einer der Ersteller der Datenbasis ist Mate Silhavy. Der Ex-Vizechef der HÖK räumte die Existenz der Listen ein, bestritt jedoch jegliche zusätzliche Anmerkungen. Jährlich seien 700 bis 800 Studenten in den sogenannten "Storchen-Lagern", in denen sich die neuen Studenten auf den Studienstart vorbereiteten, "erfasst" worden. Silhavy vertritt heute die rechtsradikale Jobbik-Partei im Kuratorium der öffentlichen Stiftung Öffentlicher Dienst.

Nähe zur Jobbik-Partei

ATV verwies auf das Naheverhältnis von Studentenvertretung und Jobbik-Partei: Sowohl die Vorsitzenden der HÖK als auch deren Stellvertreter an der ELTE seien seit 2005 ausnahmslos Mitglieder der Jobbik-Partei gewesen. Diese hätten auf diese Weise den Aufbau ihrer Partei vorantreiben wollen; die HÖK-Büros hätten als Jobbik-Basis gedient. Nach jüngsten Umfrageergebnissen gilt Jobbik als die beliebteste Partei unter den ungarischen Studenten.

Kritik von Oskar Deutsch

Der Präsident der Israeltischen Kultusgemeinde Wien, Oskar Deutsch, schoss sich unterdessen auf die rechtskonservative ungarische Regierung unter Premier Viktor Orban ein. "In immer kürzeren Abständen berichten die Medien über Maßnahmen in Ungarn, die eine Abwendung von einem demokratischen Rechtsstaat hin zum Totalitarismus fördern. Die ungarische Regierung hat die Verfassung geändert, die Meinungsfreiheit eingeschränkt und begünstigt rechtsextreme Aktivitäten", so Deutsch in einer Aussendung. Dafür, dass die HÖK seit Jahren Listen über Studienanfänger mit antisemitischen, rassistischen, sexistischen und politisch qualifizierenden Angaben führte, greife die Bezeichnung "Skandal" zu kurz. "Die in der Europäischen Union vorherrschende Einstellung - es kann nicht sein, was nicht sein darf - öffnet antisemitischen und rechtsradikalen Umtrieben Tür und Tor", warnte der IKG-Präsident. (APA)