Die Bangladesch-Österreichische Gesellschaft lädt zum Fest in ein unscheinbares Kellerlokal im 20. Wiener Gemeindebezirk. Gefeiert wird die "Saraswati Puja" oder "Vasant Panchami", ein hinduistisches Frühlingsfest und der wichtigste Feiertag der Göttin der Weisheit - Saraswati. Das Fest markiert den Beginn des Frühlings und wird vor allem im Osten Indiens gefeiert - so auch in der historischen Region Bengalen, die heute in Indien und Bangladesch liegt. Dort haben Göttinnen eine große Bedeutung. Im Süden Indiens feiert man Saraswati besonders im Herbst. "Viele Österreicher kriegen gar nicht mit, welche spannenden Hindu-Feste es in Wien gibt", meint Christina Kundu, Generalsekretärin der Hinduistischen Religionsgemeinschaft in Österreich (HRÖ), die mit uns das Fest besucht hat.

Die Hinduistische Religionsgemeinschaft in Österreich ist die offizielle Vertretung für alle Hindus in Österreich. Seit 1998 ist diese eine eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft, besitzt aber nicht alle Vorteile einer anerkannten Religionsgemeinschaft. Eine Anerkennung wäre wichtig für den Religionsunterricht der Kinder, sagt Kundu, "damit sie ein Selbstbewusstsein in Bezug auf ihre Religion entwickeln". Die Göttin Saraswati beschützt alle Lernenden, weshalb sich vor allem Schulkinder sehr auf dieses Fest freuen.

Foto: Jelena Gučanin

Die Statue der Göttin wird extra aus Indien eingeflogen und rituell in der Puja (Gottesdienst) vom Priester verehrt. Auch andere Symbole der Gottheit sind auf dem Altar zu finden, etwa ein Tintenfass. Das Instrument (Vina) zeigt, dass sie auch Patronin der Musik und aller Künste ist. "Darauf spielt die Göttin den Urton, den Beginn der Schöpfung", erklärt Kundu.

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Bücher, Hefte und Stifte liegen auf dem Altar, wenn die Göttin angebetet wird. "In Bengalen schreiben kleine Kinder an diesem Tag zum ersten Mal einen Buchstaben", sagt Kundu.

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Der Priester, Bisnu Chakraborty, musste für das Fest extra aus Schweden eingeflogen werden - eine teure Angelegenheit für die kleine hinduistische Gemeinschaft. Doch wer genau darf sich als Hindu bezeichnen? "Wir haben keinen Papst. Wer sich als Hindu bezeichnen kann, ist daher nicht für alle verbindlich geklärt, und es gibt unterschiedliche Meinungen", sagt Kundu. In Österreich werden nicht nur in Hindu-Familien geborene Personen als Hindus anerkannt, sondern auch jene, die konvertiert sind. "Darunter finden sich auch Gruppen, die anderswo als Sekten bezeichnet werden - etwa die Hare-Krishna-Bewegung."

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Das Essen, das geopfert wird, darf bei solchen Anlässen keine Zwiebel, keinen Knoblauch, keine Eier und kein Fleisch oder Fisch enthalten. Abgesehen von solchen und ähnlichen Ritualen gibt es im Hinduismus kein für alle gültiges Glaubensbekenntnis wie etwa im Katholizismus. "Hindu" ist eine Fremdbezeichnung, die die Kolonialherren einst den InderInnen gaben. In Wahrheit vereinen sich unter dem Begriff "Hinduismus" viele verschiedene Traditionen.

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Anders als beim katholischen Gottesdienst herrscht hier eine lockere Atmosphäre. Das sei vor allem für Kinder wichtig, meint die Pädagogin Kundu: "Niemand wird gezwungen, still zu sein oder aufzupassen."

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Auch Tanzvorführungen der Kinder stehen am Programm. Eine Woche lang haben Suborno (11), Ramita (8) und Tuschar (10) für ihren Auftritt geübt.

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Britthi und Tamal spielen ...

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... die berühmte Liebesgeschichte von Krishna und seiner Gefährtin Radha nach.

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Auch Suborno hat heute seinen großen Auftritt und meistert diesen mit viel Applaus.

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Die Musik für die Tänze liefert Youtube: "Bei solchen Festen vermischt sich alles - Pop, Religion, Kunst", erzählt Christina Kundu.

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Die kleine Radela nimmt heute das erste Mal feste Nahrung in Form von Reis zu sich - ein wichtiges Ritual im Hinduismus. Der Schmuck und die festliche Kleidung symbolisieren Reichtum und Schönheit. "Hinter dem, was andere als Kitsch betrachten würden, steckt viel Liebe", sagt Christina Kundu.

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Auch eine Art Prophezeiung gehört zum Ritual dazu: Radela greift unter den angebotenen Gegenständen - Stift, Erde, Gold - nach dem Stift und gibt sich als eher geistig interessiert zu erkennen.

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Licht symbolisiert Wissen und geistige Erleuchtung. Die Butterlampe ist essenziell für jede Verehrung und für die Segnung der Gläubigen.

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Das Tilaka oder Tika, ein Segenszeichen (hier aus Asche), wird als Abschluss der Puja auf die Stirn getragen.

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Das Bindi - im Bild der rote Stirnpunkt - war ursprünglich die weibliche Form des Tilaka und wurde dann zu dekorativen Zwecken genutzt. Der Punkt zwischen den Augenbrauen gilt als Sitz eines höheren oder mystischen Wissens.

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Auch das bengalische Fernsehen interessiert sich für das bunte Fest der Gemeinschaft in Wien. Doch nicht nur Hindus besuchen das Fest heute, auch einige Muslime sind anwesend. "Man lädt sich auch in Indien und Bangladesch gegenseitig zu den Festen ein", erklärt Kundu. "Wir in Europa hören ja immer nur von den dortigen Konflikten zwischen Hindus und Muslimen, aber im Alltag verstehen sie sich gut."

Weltweit gibt es etwa 900 Millionen Hindus. Laut der Volkszählung aus dem Jahr 2001 leben in Österreich zwischen 3.000 und 4.000 bekennende Hindus. Kundu schätzt die Anzahl jener auf mehrere tausend, die nicht offiziell Mitglieder sind. In Wien gibt es drei Mandirs, hinduistische Tempel beziehungsweise provisorische Gebetsräume, in Salzburg einen. Bezahlt und geführt werden sie alle von Privatleuten. Für die volle Anerkennung benötigen die Hindus in Österreich mehr als 16.000 Mitglieder. "Dieses Gesetz gibt es erst seit 1998. Viele der jetzt anerkannten Religionen haben diese Anzahl daher nicht", sagt Christina Kundu. (Jelena Gučanin, daStandard.at, 21.2.2013)

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