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Der Blick in die österreichischen Kleingärten enthüllt viel sorglosen Umgang mit Pestiziden. Das soll sich Ende 2015 ändern.

Foto: apa/dpa/gambarini

Wien - Sie sind in jedem Baumarkt und Blumenladen zu haben und gehen nicht nur Landwirten, sondern auch vielen Hobbygärtnern leicht von der Hand. 250 Herbizide sind in Österreich zugelassen, 218 davon sind als umweltgefährlich eingestuft. In der EU werden Jahr für Jahr 200.000 Tonnen an Pflanzenschutzmitteln in Umlauf gebracht. Welche Menge an einzelnen Wirkstoffen hierzulande in die Böden gelangen, veröffentlicht Umweltminister Nikolaus Berlakovich nach wie vor nicht - auch wenn andernorts jedes Rinderohr anzumelden sei, ärgert sich Wolfgang Pirklhuber von den Grünen. In drei Jahren schreibt die EU verpflichtende Dokumentation vor.

Der Pestizideinsatz in Feld und Garten lässt sich gut aus Analysen von Lebensmitteln ablesen und ist auch klar im menschlichen Organismus nachweisbar. Die Agentur für Lebensmittelsicherheit ermittelte in mehr als 60 Prozent ihrer Proben von konventionellen Nahrungsmitteln Rückstände aus Pflanzenschutzmitteln, belegen jüngste verfügbare Daten aus dem Jahr 2010. Ein Drittel war mehrfach belastet. Negativ stachen vor allem Trauben und Marillen hervor. Nur wenige überschritten die zulässigen Grenzwerte, die Belastung sei aber nicht wegzudiskutieren, sagt Pirklhuber. "Die Liste der Pestizide gehört kritisch durchleuchtet."

Hart unter Beschuss stehen vor allem Neonicotinoide, die Bauern nicht nur als Beizmittel, sondern auch Hobbygärtnern als Insektenspray dienen. Die EU will sie europaweit verbieten. Eine dafür anberaumte Sitzung am kommenden Montag wurde nun aber abgesagt. Österreichs Behörden haben sich bisher stets geweigert, das Insektizid vom Markt zu nehmen.

Herbizide in Mehl

Beliebt im privaten wie gewerblichen Gebrauch sind auch Herbizide wie Glyphosat, das unter der Marke Roundup in den Handelsregalen steht. Neben der Kontaminierung von Boden und Gewässern tötet es ab, was wächst, kreucht und fliegt. Es wird verdächtigt, Erbgut zu schädigen und krebserregend zu sein. Spezialanalysen wiesen es in Österreich in sehr geringer Konzentration in Mehl und Ölsaaten nach. Für jeden mit grünem Daumen verfügbar ist zudem hochtoxisches Fipronil, das sich in Ameisenködern findet. Während es Bauern nur bei Gefahr im Verzug einsetzen dürfen, können Private in Garten und am Balkon damit tun und lassen, was sie wollen.

Dass sie sich dabei oft in der Dosierung verschätzen, wird zumeist nur anhand vergifteter Haustiere offenkundig. Diese sind nicht selten Opfer von Schneckenkorn mit dem Wirkstoff Methiocarb, der im Übrigen auch gerne auf Zierpflanzen versprüht wird.

Auf Initiative der EU wird künftig allzu unbekümmertem Giftgebrauch beim privaten Garteln der Riegel vorgeschoben: Ab November 2015 können gewisse Pflanzenschutzmittel nur noch durch Vorlage eines Sachkundenachweises erworben werden. Dieser bedingt entsprechende fachliche Ausbildung. Wer Pestizide berufsmäßig anwendet, muss seit 2011 im Sinne einer neuen EU-Verordnung aufzeigen, was er wo, wann und zu welchen Mengen einsetzt.

Österreich muss einen nationalen Aktionsplan für die Anwendung von Spritzmitteln erstellen, erläutert Pirklhuber. Ob dieser bereits an Brüssel gemeldet wurde, habe ihm Berlakovich bisher jedoch nicht beantworten können.

Der Handel jedenfalls bereitet sich auf den eingeschränkten Zugang der Hobbygärtner zu Pflanzenschutzmitteln vor. Den Anfang macht Bellaflora. Die österreichische Blumenkette listet in Zusammenarbeit mit der Umweltorganisation Global 2000 sämtliche chemisch-synthetischen Pestizide aus und ersetzt sie in ihren 25 Filialen durch biologische Produkte, sagt Firmenchef Alois Wichtl.

Mehr Chemie als nötig

"Hochgiftige Substanzen haben in Hausgärten nichts verloren", ergänzt Dominik Linhard von Global 2000. Private wüssten vielfach gar nichts über deren Risiken. Durch den einfachen Zugriff in Drogerie- oder Lebensmittelgeschäften würden sie verharmlost. Bei Schneckengift etwa reiche ein Korn auf einer Fläche von einem A4-Blatt - in der Praxis streuten die Österreicher im Schnitt gut eine Handvoll aus und damit weit mehr Chemie als notwendig, weiß Isabella Hollerer von Bellaflora zu berichten.

85 Prozent der österreichischen Haushalte zieren sich mit Gärten oder Balkonen. Das Geschäft mit dem Grün gilt als krisenresistent. Wichtl bezweifelt, dass ihm der Pestizidverzicht Kunden kostet. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 21.2.2013)