Der Wahlkampf hat in Wahrheit längst begonnen, und da liegt es nahe, beides aus diesem Blickwinkel zu betrachten: die Straßenproteste in Bulgarien gegen die Strompreise, die zu den niedrigsten in der EU gehören, aber dennoch für eine Mehrheit schwer zu bezahlen sind; und den Paukenschlag, mit dem Premier Boiko Borissow plötzlich seiner Regierung ein Ende setzte - knapp vier Monate vor den Parlamentswahlen.

Die Opposition im Balkanland - die Sozialisten, die Rechtsextremen und die Partei der türkischen Minderheit - hat die Demonstrationen angeheizt. Ein Vehikel zum Sturz der Regierung sollten sie werden. "Bulgarischer Frühling" hieß eine Losung, die auftauchte, als ob es darum ginge, einen in Sofia Jahrzehnte herrschenden Despoten und dessen korrupte Familie zu Fall zu bringen und dem Land endlich Demokratie.

Die Mehrheit der Protestierenden hat sich für ein solches Stück nicht hergeben wollen. Ihr Ruf nach mehr sozialer Gerechtigkeit scheint selbstbestimmt. Denn die von den Sozialisten geführte Koalition, die 2009 im Strudel veruntreuter EU-Gelder unterging, ist den Bulgaren in schlechter Erinnerung, wie Umfragen zeigten.

Auch Borissow mag einen Plan haben: auf dem Höhepunkt der sozialen Krise alles hinwerfen, eine Übergangsregierung ein paar Wochen wursteln lassen und dann glanzvoll zurückkehren. Spieler, nicht Staatsmänner hat Bulgarien. (Markus Bernath, DER STANDARD, 21.2.2013)