Wien - "Ein riesengroßes Ablenkungsmanöver!" So nennt Dietbert Kowarik, freiheitlicher Sportsprecher in Wien, die zweite der vier Fragen, die sich von 7. bis 9. März den Wienern stellen. Soll sich die Stadt um die Austragung der Olympischen Sommerspiele 2028 bemühen, so lautet die Frage. Kowarik: "Kein Sportsprecher wird sagen, er wäre gegen Olympische Spiele in seiner Heimatstadt." Aber: "Wir nehmen das nicht ernst. Was man wirklich besprechen sollte, ist der Zustand der Sportstätten in Wien, der ist großteils erbärmlich."

Kowarik würde nicht in eine Olympia-Bewerbung investieren, sondern lieber in die Sanierung und Neuerrichtung von Sportanlagen. "Da hätten wir nämlich mit Sicherheit etwas davon." Wohingegen bei einer etwaigen Bewerbung die Gefahr bestünde, dass Millionen schlicht verpuffen. "Dieser Stadtregierung traue ich jedenfalls überhaupt nicht zu", sagt Kowarik, "dass sie Olympische Spiele abwickelt."

Ins selbe Horn stößt Ines Anger-Koch, Sportsprecherin der Wiener Volkspartei. "Wien kriegt es ja nicht einmal zustande, das Stadthallenbad zu sanieren." Was Spitzensport betreffe, sei die Stadt eine einzige Baustelle, "es liegt in Wien im Sport so vieles im Argen". Immerhin hofft Anger-Koch, dass der Sport thematisiert werde, denn das sei überfällig, ganz abgesehen von der Frage nach Olympia. "Es müsste ja zuerst eine Infrastruktur geben, bevor man überhaupt daran denken kann, sich zu bewerben."

Anger-Koch hätte "im Prinzip nichts gegen Spiele in Wien", sie wird aber "spontan entscheiden", ob sie auch wirklich dafür stimmt. Zu groß ist ihr Ärger über die SPÖ, die den Spitzensport in Wien jahrelang ignoriert habe und sich nun als sportlich geriere, nur um das Interesse für die Volksbefragung anzukurbeln. "Diese Frage zieht. Sport kann immer mobilisieren." Wie Kowarik ist sie der Ansicht, Wien hätte längst in Sportstätten investieren sollen - "und in den Nachwuchssport. Jeder, der Kinder hat, weiß, was in diesem Bereich nicht funktioniert."

Wenn man dem ehemaligen Londoner Bürgermeister Ken Livingstone glaubt, unter dem London 2005 den Zuschlag für 2012 erhielt, so wird in keiner Stadt, die Olympia veranstaltet hat, nachher mehr gesportelt als vorher. "Das ist noch nie passiert. Es geht nur um die Infrastruktur", sagt Livingstone in einem Interview mit dem "Falter". Die Ausrichtung Olympischer Spiele würde sich "nur für eine Stadt auszahlen, die ein verwahrlostes Elendsviertel hat". In einer solchen Gegend habe London Verkehrsinfrastruktur, Sportstätten und Wohnraum geschaffen. Einen Tipp hat Livingstone auch parat. "Wenn Wien die Spiele bekommen will, dann sollte es einige jener Lobbyisten anheuern, die wir engagiert hatten."

Für Anja Richter verläuft die Debatte über Olympia in Wien "extrem unglücklich". Als Kritikpunkt schon jetzt die hohen Kosten alleine für die Bewerbung anzuführen, würde in die falsche Richtung führen. Das sagt die Kabinettsmitarbeiterin von Sportminister Norbert Darabos (SP) nicht in ihrer Funktion als Politikerin, sondern als ehemalige Wasserspringerin und Initiatorin der Fördereinrichtung Sport Pool Wien. "Olympia könnte einen Sportboom auslösen", sagt die 35-Jährige, die an vier Spielen teilgenommen hat.

"Spitzensportler beziehen Stellung", hieß die Aktion, zu der die Agentur des ehemaligen SPÖ-Bundesgeschäftsführers Josef Kalina am Mittwoch geladen hatte. Neben Richter stellte sich etwa auch Beachvolleyballer Clemens Doppler in den Dienst der Sache. Er wies darauf hin, dass ein Jahr vor den Spielen 2012 die Skepsis der Londoner groß gewesen sei. "Aber im Sommer war diese Skepsis wie weggeblasen."

Doppler erwähnte auch Negativbeispiele. Nach Athen 2004 oder Peking 2008 hätten etliche Stadien "ausgesehen wie in einer Geisterstadt. Sie wurden genau einmal im Jahr nachgenützt." Das gelte es in Wien zu vermeiden. "Man sollte die Sportstätten so intelligent bauen, dass viele wieder zurückgebaut werden können", sagt Richter. Für Ex-Tennisspieler Alexander Antonitsch ist ein Ja zu Olympia wichtig, um die Sportdebatte am Laufen zu halten. "Die Volksbefragung entscheidet, wohin es mit dem Sport in Wien geht." Und schon ist Antonitsch beim nächsten Sportdauerbrenner, der täglichen Turnstunde. Sie ist eine ganz andere Geschichte - und auch wieder nicht. (Fritz Neumann/David Krutzler, DER STANDARD, 21.2.2013)