Wien - Für Barbara Schlachter, Obfrau des Vereins Familien andersrum Österreich (Famos), ist das Ja des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes (EGMR) zur Stiefkindadoption von homosexuellen Paaren "für Österreichs Regenbogenfamilien ein ganz wichtiger Schritt". Auch die Reaktion Justizministerin Beatrix Karls (ÖVP), die das Urteil noch in dieser Legislaturperiode umsetzen will, sei "sehr positiv".

Denn bei den meisten jener Männer- und Frauenpaare, die gemeinsam Kinder aufziehen, sei der Nachwuchs von einem der Partner aus früheren heterosexuellen Verbindungen mit in die Beziehung gebracht worden. Aber die derzeitige Gesetzeslage, die nur heterosexuellen Lebensgemeinschaften die Stiefkindadoption erlaubt, verunmögliche es ihnen für alle Zeiten, "gemeinsam für das Kind oder die Kinder Sorge zu tragen".

Also werde die von Karl angekündigte Gleichstellung für die meisten Regenbogenfamilien "viel verbessern". Wie viele solche gleichgeschlechtlichen Familien es in Österreich gibt, weiß niemand; in Deutschland wuchsen 2009 geschätzte 10.000 Kinder in solchen Verbindungen auf.

Ein Kind, mehrere Eltern

Laut Schlachter stammt der Nachwuchs in Regenbogenfamilien, neben Kindern aus früheren Mann-Frau-Beziehungen ihres jeweiligen Elternteils, auch aus Samenspenden an Frauen im Ausland - in Österreich dürfen nur Eheleute oder heterosexuelle Lebensgefährten Samenbanken benutzen -, oder nach einer Einzelperson-Auslandsadoptionen.

Hinzu kommen Kinder - laut Schlachter ein "neuer, aber auch in Österreich zunehmend stärkerer Trend" - aus sogenannten Queer Families: Familiengeflechten lesbischer und schwuler Paare sowie Einzelpersonen, in denen Kinder nach Absprache gezeugt und paarweise oder auch gemeinschaftlich aufgezogen werden. In den Niederlanden, wo man sich dieser Entwicklung bereits bewusster als in Österreich ist, wird derzeit über eine neue Regelung diskutiert, laut der Kinder ganz offiziell mehr als zwei Elternteile haben dürfen.

In Österreich, so die Famos-Obfrau, seien alle diese Kinder derzeit im Vergleich zu Nachwuchs aus heterosexuellen Familien schwer benachteiligt, mit negativen Auswirkungen im Alltag: "Wenn der leiblichen Mutter oder dem leiblichen Vater etwas passiert, hat der andere Partner keine Recht, sich weiter um das Kind zu kümmern".

Auch bei Spitalsaufenthalten des Kindes oder Schulangelegenheiten könne es zu Problemen kommen - und diese würden von der geplanten Gleichstellung der Stiefkindadoption nur zum Teil beseitigt. "Daher fordern wir volles Adoptionsrecht für homosexuelle Paare".

EP-Gesetz wird geändert

Das wird von Justizministerin Karl ausgeschlossen. Die nach dem EGMR-Urteil geplante Gesetzesänderung werde indes, über unverheiratete homosexuelle Paare hinausgehend, auch eingetragene Partner (EP) umfassen: "Wir machen das EP-Gesetz auf, sonst gäbe es erneut Ungleichbehandlung". (Irene Brickner, DER STANDARD, 20.2.2013)