Emmynismus statt Feminismus: Emmy Werner hält die Quotenregelung am Theater für schwer durchführbar.

Foto: STANDARD / Regine Hendrich

STANDARD: Sie wurden 1988 als erste Theaterdirektorin an eine große deutschsprachige Bühne berufen. Hat sich seither viel geändert?

Werner:  Ja und nein. Man kann die Theaterdirektorinnen immer noch an den Fingern einer Hand abzählen. Aber mittlerweile sucht man ja gezielt Frauen. Manchmal haben mich Kulturpolitiker angerufen und gefragt, ob ich wen wüsste. Aber da tu ich nicht mit! Die Politiker müssten selbst etwas wagen und auch nicht-etablierte Frauen holen. Es werden ja auch nichtetablierte Männer berufen, die dann Risikofaktoren sind. Das könnte man bei den Frauen auch einmal probieren.

STANDARD: Würden Frauenquoten bei der Besetzung von Direktionsposten und Intendanzen helfen?

Werner:  Am Theater halte ich die Quotenregelung leider für schwer durchführbar. In der Wissenschaft, im Wirtschaftsmanagement ist das anders. Die kriminelle Energie bezüglich Spekulation und Korruption ist weltweit fast ausschließlich männlich, da würde ich mir einen anderen Zugang wünschen. Aber bei künstlerischen Berufen: Vorsicht! Da ist es mit der Quote heikel. Am Sprechtheater zum Beispiel gibt es so viele verschiedene Geschmäcker, welche Kriterien gelten da für eine Direktion?

STANDARD: Und in der Regie?

Werner:  Ich kann mich erinnern, früher gab es im gesamten deutschsprachigen Raum Ruth Berghaus im Opernbereich, Angelika Hurwicz - und aus. Als 1981/82 in der Drachengasse Johanna Tomek ihre erste Regie gemacht hat, stand in einer großen österreichischen Zeitung die Überschrift: "Eine Frau führt Regie!" Mit Rufzeichen! Heute schaut doch niemand mehr, ob ein Mann oder eine Frau Regie führt. Da hat sich viel getan. Auch ich habe mich darum bemüht. Bei den Darstellern ist es sowieso klar, da gibt es Frauen- und Männerrollen. Als Theaterleiterin muss man darauf schauen, dass genug Stücke mit guten Frauenrollen auf dem Spielplan stehen. Das habe ich ja weiß Gott gemacht.

STANDARD: Da würde eine Frauenquote doch Sinn machen, weil Direktorinnen eher darauf schauen, dass Frauen inszenieren, ausreichend Stücke mit guten Frauenrollen auf dem Spielplan stehen und Dramatikerinnen aufgeführt werden?

Werner:  Das fällt den Männern meistens nicht auf, das stimmt. Ich hatte am Theater viele Männer um mich herum, die musste ich oft mit der Nase drauf stoßen, wenn ein Stück frauenfeindlich war. Nur wenige haben diese Sensibilität. Aber wir müssen vorsichtig sein, dass wir uns in der Sexismus-Gender-Debatte nicht verzetteln, und sehr konkret sein. Aber wenn ich das sage, habe ich immer von den Feministinnen eins draufgekriegt.

STANDARD: Sehen Sie sich nicht als Feministin?

Werner:  Ich weigere mich, diesen Begriff auf mich anzuwenden, weil jeder und jede etwas anderes darunter versteht. Ich habe einmal gesagt, wenn Feminismus das ist, was ich lebe, was ich meine und vertrete, dann bin ich Feministin. Also sagen Sie lieber Emmynismus statt Feminismus. Ich habe ja mit Männern gelebt, habe Männer geliebt! Und die Balz wollen wir uns doch erhalten, denn der balzende Auerhahn ist nicht untergriffig, wenn die Henne nicht will, hat er's schwer. Ich habe wunderbare Männer in der Familie. Was mich allerdings schon als junges Mädchen rabiat gemacht hat, war, dass ich ständig für jemanden am Herd stehen oder die Wäsche waschen sollte. Ich wasch niemandem die Wäsche! Diese Rabiatheit habe ich dann in einer für mich dennoch sehr wichtigen Ehe verdrängt, da war ich doch eher Begleiterin. Und habe langsam bemerkt, wie ungerecht das zugeht mit den Frauen.

STANDARD: Daher die Drachengasse als Frauentheater?

Werner:  Die Drachengasse war das wundervolle Auffüllen einer Nische: Es gab so viele tolle Frauen, die Theater machen wollten. Was aber von Beginn an tabu war: Ausschaltung oder Ausgrenzung der Männer. Wir haben sie immer eingebunden, allerdings in umgekehrter Funktion. Wir Frauen haben bestimmt, die Männer haben uns unterstützt. Aber es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen Männern und Frauen in Leitungspositionen: Frauen möchten sich mehr um Kinder kümmern. Sie möchten ihr Zuhause gestalten. Ich bin oft am Morgen ins Volkstheater gekommen und habe gefragt: "Könnt ihr euch vorstellen, dass der Peymann heute in der Früh auch schon selber sein Bad geputzt hat?" Eher nicht.

STANDARD:  Männer stärken einander durch Seilschaften. Wie ging es Ihnen als Seilschafterin in und mit der Drachengasse?

Werner:  Es hat, das muss man leider sagen, nicht lange gehalten. Frauen neigen nicht zu Rudelbildung. Ich mag keinen Biologismus, aber das stimmt leider. Drei Männer sind schon eine Gruppe. Bei den Männern gibt es dann immer einen, der zurücksteckt; wir waren lauter starke Alphaweibchen, keine der Frauen wollte nachlassen. Ich halte dies für eine ganz großartige Eigenschaft - aber ganz schlecht für den Erfolg.

Bei allen Seilschaften müssen Sie ja die Qualität oft beiseiteschieben, deshalb kommen bei den Männern mitunter die größten Idioten bis ganz an die Spitze, weltweit. Politische Seilschaften und Männerbünde sind wieder stark im Wachsen, Männer wollen halt die Macht nicht aufgeben. Das hat wahrscheinlich mit dem Testosteron zu tun. Ich halte überbordendes Testosteron ja für total unterschätzt in Bezug auf die Weltlage. Und außerdem halte ich Frauen auch für weniger gierig als die Männer.

STANDARD: Sie befinden sich, um mit Lukas Resetarits zu sprechen, im Unruhestand und werden im April im Münchner Gärtnertheater den "Bettelstudent" inszenieren.

Werner:  Zum wiederholten Male. Übrigens ist diese Operette ein typisches Beispiel: Die beiden Frauen in den Hauptrollen sind ja zwei ziemlich dumme Trutscherln, die nur den Fürsten kriegen wollen. Ich habe das umgemodelt, bei mir sind die Frauen die Wissenden, und der, der betrügen soll, ist am Ende der Depp. Das ist ein - mein - typisch weiblicher Zugang. Noch ist diese Reise eine Horrorvorstellung für mich. Aber ich hoffe, es wird sein wie immer: Die erste Probe beginnt, die Träne quillt, das Theater hat mich wieder. Der Intendant Josef Ernst Köpplinger hat, um mich aufzumuntern, einen wunderbaren Satz gesagt: Ausfallen kann ein junger Regisseur auch. Schauen Sie sich doch um, wie die Herren alle noch heruminszenieren und Theater machen, auch wenn sie noch älter sind als ich. Da soll ich dann sagen: Nein, ich trau mich nicht mehr?

STANDARD: Sie haben auch die CD "Unser (ve.ana) Patent - Weana.Werner. Lieder" mit Wienerliedern Ihres Vaters Hans Werner gemacht.

Werner:  Ich wollte seine Texte nicht ganz in Vergessenheit geraten lassen und meinem Vater danken, weil er mir alles ermöglicht hat. Mit seinen Tantiemen konnte ich in der Drachengasse überleben.

STANDARD: Abschließend: Wäre es nicht an der Zeit, dass an die Spitze des Burgtheaters als Nächstes eine Frau berufen wird?

Werner:  Natürlich! Burgtheater und Oper wären großartige Signale. Ich glaube auch, dass es geeignete Frauen gäbe.

STANDARD: Wieso sind Sie dann eigentlich gegen die Quote?

Werner: Weil es ein schiaches Wort ist, es klingt nach Pferdewetten und Glücksspiel. (Andrea Schurian, DER STANDARD, 21.2.2013)