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Kinderbuchautor Otfried Preußler, auf dem Bild im Jahr 2010, starb 89-jährig am Chiemsee.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Eine berühmte Preußler-Figur: Der Räuber Hotzenplotz.

illustration f.j. tripp/mathias weber aus "der räuber hotzenplotz" von otfried preußler, thienemann verlag 2012.

Prien - An seinem ambitioniertesten Buch hat Otfried Preußler zehn Jahre gelitten. Bevor er 1971 Krabat veröffentlichen konnte, jenen Roman, der lange vor Harry Potter die Versuchungen der schwarzen Kunst beschrieb, bedurfte es einiger Lockerungen. Diese Nebenwerke, etwa Der kleine Wassermann, Die kleine Hexe, Das kleine Gespenst, werden noch heute eifrig gelesen. Über 30 Bücher hat Preußler geschrieben. Sie wurden verfilmt, in über 55 Sprachen übersetzt - und mehr als 50 Millionen Mal verkauft.

Krabat ist gut und wichtig. In Erinnerung wird aber Der Räuber Hotzenplotz bleiben. In insgesamt drei Teilen deutete Preußler zwischen 1962 und 1973 den berüchtigten bayerischen Grant als durchaus heitere Auslegung der Wut auf die Obrig- und die dazugehörige Hörigkeit. Es ist, bitte schön, viel gescheiter, ein kleines Vergehen zu verüben, als sich an dumme Vorschriften zu halten. Wo doch schon die alten Nomadenvölker gut damit gefahren sind, dass man, statt Landwirtschaft zu betreiben, auch Überfälle begehen kann. Wenn etwas schiefgeht, wird man ins Spritzenhaus der Feuerwehr gesperrt. Ja, was?!

Welch schönes Bild, dass am Ende ein geläuterter Räuber ausgerechnet Wirt wird. Immerhin kann man im Gasthaus seit jeher die Leute ganz legal ausnehmen. Der süddeutsche Hang zur geduckten Aufsässigkeit mag auch daran liegen, dass der Grantler Hotzenplotz im Grunde vor der Welt seine Ruhe haben möchte, um sich ganz und gar der Einnahme viel zu schwerer Speisen zu widmen. Ohne die Bratwürste, die die Großmutter brät, wäre die Welt des Hotzenplotz nicht möglich.

Das hat zur Folge, dass der Räuber gern das Gesicht hinter sich herzieht wie eine tote Sau, aber Vorsicht: Der Grant soll nur das Böse bannen. Im Herzen ist Hotzenplotz ein Gemütsmensch, der nur rabiat wird, wenn der Bauch knurrt. Dass er gleichzeitig gefürchtet und geliebt werden will, ist die Folklore böser Buben.

Ein bisschen gar versöhnlich ist Otfried Preußler die Sache mit dem Hotzenplotz aber schon geraten. Vor allem Kasperl und Seppel in ihrer Rolle als altkluge Kinder gehen einem so auf die Nerven, dass man sie am liebsten abwatschen möchte. Ist heute verboten, klar. Der Volksaufruhr war die Sache des Otfried Preußler ohnehin nicht. Immerhin stand der Autor bis 1970 im Dienste Bayerns. Er unterrichtete in Rosenberg als Volksschullehrer und zog mit seiner Frau drei Töchter groß. Das ist für das renitente bayerische Grantlertum auch wieder typisch, dass man es oft gerade bei den scheinbar Konservativen mit zwischen Dulden und Renitenz wandernden Freigeistern zu tun hat.

Auf langen Wanderungen entwickelte Preußler auch seine Stoffe. Wer die Kinder in der Schule gern so unterhält, dass sie aufmerksam bleiben, hält sich zurück. Sein Stil ist knapp und präzise. Wichtig auch: Es fliegen zwar die Watschen. Die Moralkeule bleibt aber im Sack.

Vor Jahren zog sich Preußler in ein Pensionistenheim zurück. An der jüngsten Debatte über die Tilgung des Wortes "Neger" in seinem Buch Die kleine Hexe hat er sich nicht mehr beteiligt. Am Mittwoch ist Otfried Preußler 89-jährig am Chiemsee gestorben.    (Christian Schachinger, DER STANDARD, 21.2.2013)