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In Österreich stellt die große Kronzeugen-Regelung einen Systembruch dar. Im Bild: ein Mafia-Kronzeuge, in Italien.

Foto: ap/Adam Berry

Kriegt er ihn, oder kriegt er ihn nicht - das ist für Ex-Telekom-Manager Gernot Schieszler eine existenzielle Frage. Es geht darum, ob der Staatsanwalt Schieszler letzten Endes den Kronzeugenstatus zuerkennen und damit von der Verfolgung gegen ihn absehen wird. Ob das geschieht, steht derzeit nämlich noch in den Sternen - Schieszler muss sich den Kronzeugenstatus erst noch erarbeiten - in allen laufenden Telekom-Verfahren.

Soll heißen: Er muss über Fakten auspacken, zu denen noch nicht gegen ihn ermittelt wird, und muss damit die Aufklärungsarbeit der Justiz " wesentlich" fördern. Das tut er auf eigene Gefahr, denn: Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für die Kronzeugenrolle erfüllt sind, liegt im Ermessen des Staatsanwalts - ein solcher Zeuge bewegt sich daher auf dünnem Eis. Bricht das, ist es mit der erhofften Straffreiheit vorbei, dann kann der Staatsanwalt jederzeit gegen ihn weiterermitteln und allenfalls Anklage erheben.

Erfahrungswerte gibt es nicht: Schieszler ist der Erste, der sich im Rahmen der "großen Kronzeugenregelung" um diesen Status bemüht, bzw. er ist der Erste, von dem die Öffentlichkeit das weiß.

Die in § 209 a Strafprozessordnung (StPO) festgeschriebene Große-Kronzeugen-Regelung ist seit Anfang 2011 in Kraft, war Teil des von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner ventilierten " strafrechtlichen Kompetenzpakets". Damals wurde auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft etabliert. Die Kronzeugen-Regelung gilt für schwere Delikte und Wirtschafts- und Korruptionsdelikte; und auch für auspackfreudige Straftäter, die mit ihrem Wissen die Ausforschung von führenden Mitgliedern krimineller oder terroristischer Vereinigungen ermöglichen. Die Regelung steht noch auf dem Prüfstand: Sie gilt vorerst einmal bis Ende 2016.

Ganz ohne Strafe kommt aber auch ein Kronzeuge nicht davon: Er muss, wie bei einer Diversion, eine Geldbuße bezahlen, gemeinnützige Leistungen erbringen oder er fasst eine Probezeit mit Auflagen aus. Erst wenn all das erledigt ist, muss der Staatsanwalt die Ermittlungen gegen seinen Kronzeugen einstellen.

Sanktus von oben

Freilich muss auch noch der Rechtsschutzbeauftragte der Justiz seinen Sanktus geben. Er kann, je nach Entscheidung des Staatsanwalts, sowohl die Fortführung der Ermittlungen beantragen als auch die Einstellung des Verfahrens. Stellt sich heraus, dass die Kronzeugendienste für die Justiz doch nicht so nützlich waren (etwa weil sich die Infos als falsch herausstellen), kann das Verfahren wieder aufgenommen werden.

Die große Regelung (die "kleine" gilt für wenige Delikte, verspricht nur Strafmilderung und hat sich nicht durchgesetzt) stößt seit jeher auf Kritik. Dass potenzielle Kronzeugen bis zuletzt nicht wissen, wie der Staatsanwalt entscheidet, und es auch keinen Rechtsanspruch auf die Anwendung der Regelung gibt, minimiert die Attraktivität auszupacken, kritisieren Anwälte. "Die große Kronzeugen-Regelung wäre effizienter, wenn potenzielle Kronzeugen mehr Sicherheit hätten", meint auch Alois Birklbauer, Strafrechtsprofessor an der Linzer Johannes Kepler Universität.

Die generelle Kritik fußt aber am Systembruch, der mit der neuen Regelung einher geht: Prozessabsprachen waren in Österreich bisher nicht erlaubt. "Wenn man dieses Tabu nun schon bricht, sollte man großzügiger sein", meint Jus-Professor Birklbauer. Er plädiert dafür, dass Kronzeugen auch noch im Prozess von Strafe befreit werden können; etwa dann, wenn sie vor Gericht neue Taten oder Täter "hochgehen lassen". (Renate Graber, DER STANDARD, 19.2.2013)