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Iranische Soldaten mit Blumen bei einer Parade zum Tag der Armee.

Foto: APA/EPA/Taherkenareh

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Mahmud Ahmadi-Nejad, hinter ihm die Ayatollahs Khomeini (li.) und Khamenei, gegen den sich der Noch-Präsident offen auflehnt. F.: EPA

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Mittlerweile stellt er sich offen gegen die Wünsche des obersten Führers, Ali Khamenei.

Teheran/Wien – Irans Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad weigert sich, sang- und klanglos zu gehen. Zu den Präsidentschaftswahlen im Juni kann er ja nach zwei Amtsperioden nicht mehr antreten, aber offenbar verfolgt er jetzt ernsthaft das Projekt, Esfandiar Rahim Meshaie als Kandidaten zu positionieren – seinen im konservativen Establishment verhassten, als Vizepräsident verhinderten Schwippschwager, der sogar der "Zauberei" bezichtigt wird.

Bei seiner Nationalfeiertagsrede wiederholte Ahmadi-Nejad mehrere Male den Slogan "Es lebe der Frühling". Die "Frühling"-Metapher stammt von Meshaie, der damit die Rückkehr des Mahdi assoziiert (des zwölften schiitischen Imam, der seit dem 10. Jahrhundert als "entrückt" gilt). Ahmadi-Nejad betreibe Wahlkampf für Meshaie, schäumen die Kritiker.

Wird Ahmadi-Nejad im Westen als Verkörperung des Mullah-Regimes wahrgenommen, so haben in Wahrheit er und Meshaie in den vergangenen Jahren das System wiederholt herausgefordert, etwa indem sie "Iran zuerst" – anstelle, dem Selbstverständnis der Islamischen Republik entsprechend, "Islam zuerst" – proklamierten. Beim "Frühling"-Slogan kann der Bezug zum Arabischen Frühling nicht ausbleiben, zumal Ahmadi-Nejad – dessen Wiederwahl 2009 ja als gefälscht gilt – in seiner Rede auch sagte: "Die Menschen haben das Recht, sich ihre Regierenden selbst auszusuchen." Ein Wahlrecht, das es nur auf dem Papier gebe, sei nicht ausreichend.

Ahmadi-Nejad deutete an, dass er befürchte, die Wahlen im Juni würden zuungunsten seines Lagers gefälscht werden. Er bezog sich damit klar auf Khameneis Vertreter bei den Revolutionären Garden, Ali Saidi, der gesagt hatte, es sei "Pflicht" der Wächter, die Wahlen zu "deichseln".

Aber man könnte dahinter – und an anderen Äußerungen Ahmadi-Nejads – sogar eine prinzipielle Kritik am System sehen, dessen Führer ja der nicht demokratisch kontrollierte "oberste Rechtsgelehrte" ist (velayat-e faqih). Der erste Nichtmullah im Präsidentenamt der Islamischen Republik hat zuletzt offen gegen einen scharf formulierten Befehl Khameneis verstoßen, dass alle  öffentlichen politischen Hahnenkämpfe sofort eingestellt werden müssten. Damit sind besonders die Auseinandersetzungen zwischen Ahmadi-Nejad und den Larijani-Brüdern gemeint.

Jeder weiß, wen Ahmadi-Nejad meinte, als er in seiner Rede sagte, die Revolution gehöre nicht "einem Stamm". Ali Larijani ist Parlamentspräsident, sein Bruder Sadegh Justizchef, ein anderer, Javad, Menschenrechtsratschef.

Bei einer Parlamentssitzung, in der kürzlich Ahmadi-Nejads Arbeitsminister wegen einer umstrittenen Ernennung – des berühmt-berüchtigten Exstaatsanwalts Saed Mortazavi zum mächtigen Chef der größten Wohlfahrtsorganisation – abgeschossen werden sollte, legte Ahmadi-Nejad Material gegen die Larijanis vor: Geheim aufgenommenes Filmmaterial sollte belegen, dass ein Larijani-Bruder, Fazel, Mortazavi um einen Beraterposten angehauen hatte: Seine einflussreichen Brüder würden es Mortazavi vergelten.

Parlamentspräsident Ali Larijani entgegnete natürlich scharf, das Ganze endete im totalen Eklat, ob der Präsident das Parlament freiwillig verließ oder hinausgeworfen wurde, ist nicht ganz klar.

Und Ahmadi-Nejad mobilisiert noch immer: Bei einem Besuch in Ghom musste Ali Larijani seine Rede in einer Moschee abbrechen, die unter anderem mit "Frühling"-Rufen niedergeschrien wurde. Die alten Ayatollahs in der heiligen Stadt sind entsetzt, Ermittlungen sollen eingeleitet werden.

Vielleicht legt es Ahmadi-Nejad ja darauf an, doch noch vor den Wahlen entlassen zu werden – man geht davon aus, dass das Khamenei bisher nur nicht getan hat, weil er sich selbst am meisten schaden würde. Im sanktionsgeplagten Iran agiert Ahmadi-Nejad laut Ansicht der Konservativen nun jedenfalls ganz im Sinne der vielbeschworenen "Feinde Irans". (Gudrun Harrer /DER STANDARD, 19.2.2013)