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Bisher galt: Eher hebt ein Papst den Zölibat auf, als dass er zurücktritt. Man darf also noch gespannt sein, was alles noch kommt.

Fotos: APA/Rubra, AP/Tarantino

Der Vorgang war eigentlich unerhört. Ein amtierender römisch-katholischer Priester dachte laut über den nötigen Rücktritt des Papstes nach. Und blieb im Amt. (Nur der vorgesetzte Bischof bekam eine römische Kopfwäsche.) So geschehen anno 2010. Der Chef der Pfarrerinitiative, Helmut Schüller, meinte in einem "Kurier"-Interview, dass unter bestimmten Umständen ein Rücktritt des Papstes "unausweichlich" sei. Er bezog sich auf die mangelnde Rechtfertigung des Papstes über seine Rolle im Missbrauchsskandal.

Damals galt allerdings noch die Devise: Eher hebt ein Papst den Zölibat auf, als dass er zurücktritt. Man darf also noch gespannt sein, was noch kommt. Denn bislang nannte man alles, was Schüller forderte, als Utopie.

Natürlich wird die Pfarrerinitiative nicht den Ausschlag gegeben haben, auch wenn Rom ängstlich die rasche internationale Ausbreitung verfolgt und zu unterbinden versucht. Sicher wiegen der Missbrauchsskandal, die mafiosen Bankenprobleme und die üblichen vatikanischen Intrigen mehr. Seine Dialogverweigerung gegenüber seinen Reform-Priestern (im Unterschied zur Anbiederung an die Piusbruderschaft) ist aber ein wesentlicher Teil Benedikts Führungsschwäche, die vermutlich an im nagt.

Mit seinem überraschenden Rücktritt hat Benedikt XVI. aber letztlich eine positive Wegmarke gesetzt, mit der er – darüber sind sich die Kommentatoren einig – dauerhaft in die Geschichtsbücher eingehen wird. Vor allem gilt: Er hat das Amt verändert. Ob gewollt oder ungewollt. Gerade er, der philosophisch und theologisch nur in der Kategorie der Kontinuität denken kann, hat einen Traditionsbruch herbeigeführt. Gerade er, der besonders die "Entweltlichung der Kirche" predigt – freilich nur predigt und nirgendwo dort gelebt hat, wo er auch die dazugehörigen Schritte hätte setzen können –, hat das Papstamt verweltlicht.

Dessen scheint er sich durchaus bewusst zu sein. Denn sicher ist keines der wenigen und leisen Worte seiner Rücktrittserklärung ohne Bedacht gesetzt. Dabei zeigt sich ein besonderer Denkmusterwechsel:

Unmittelbar nach seiner Wahl hatte er nämlich noch so formuliert: "Als er mich zum Bischof von Rom erwählt hat, wollte der Herr mich zu seinem Stellvertreter, er wollte mich zum 'Felsen' machen, auf den sich alle sicher stützen können."

In der Rücktrittserklärung nennt er in Respekt verdienender Offenheit nicht nur körperliche, sondern auch geistige Schwächen und bezeichnet seinen Job als „das Amt des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Petri, das mir durch die Hand der Kardinäle am 19. April 2005 anvertraut wurde". Die neue Formel "durch die Hand der Kardinäle anvertraut" nimmt vom Bild der quasi göttlichen Amtseinsetzung Abschied. Das ist eine erfrischende Vermenschlichung.

Beides, Traditionsbruch und Vermenschlichung, könnte der Anfang eines neuen Aufbruchs sein, der der Kirche gegen den Willen der Kurie und des Noch-Papstes passiert.

Bis zum 10. Februar konnte das Pontifikat Benedikts XVI. als inhaltlich farblos, tendenziell rückwärts gewandt, im besten Fall noch bedeutungslos bewertet werden. Wie kein anderes war es voll von Pannen und Peinlichkeiten (Aufhebung der Exkommunikation für einen Holocaust-Leugner, Regensburger Rede mit vorsätzlicher Polemik gegen den Islam, Karfreitagsbitte mit Provokation für das Judentum, ...). Seine mangelnde Bereitschaft, beim internationalen Missbrauchsskandal auch im Vatikan reinen Tisch zu machen, ist bis dato die große, sein Pontifikat begleitende und charakterisierende Fehlleistung des Professors auf dem Papstthron. Papst Benedikt war – aus welchen Gründen immer – nicht in der Lage, einen zeitgemäßen Weg zu gehen. Aber durch sein Gehen macht er – hoffentlich – den Weg dazu frei.

PS: Das spürt wohl auch ängstlich die Kurie. Die derzeitige Diskussion um die Vorverlegung des Papstwahltermins macht deutlich, dass kein Interesse besteht, den auswärtigen Kardinälen Zeit einzuräumen, sich zu vernetzen und schon im Vorfeld neue Zukunftswege zu diskutieren ...

PPS: Im Übrigen bin ich der Meinung, dass der Papst seine letzten Amtstage dazu nützen sollte, um eine Klärung der Verantwortung der Päpste und des Vatikans für den internationalen Missbrauchsskandal einzuleiten. Papst Benedikt hat bisher lediglich zur Schuld einzelner Priester und Bischöfe Stellung genommen. Zu den Vorgängen innerhalb der vatikanischen Mauern fand er kein Wort. Benedikts beharrliches Schweigen dazu macht ihn als Papst unglaubwürdig, stellt ein schweres Erbe für seinen Nachfolger dar und belastet die gesamte Kirche.

PPPS: Den nächsten Blog gibt es am 25. Februar.