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Angelo Sodano ist Dekan des Kardinalskollegiums - und Tarcisio Bertone ist Kardinalstaatssekretär und Camerlengo, also Kämmerer, des Papstes. Zwei, die sich noch nie mochten. Dass ausgerechnet diese beiden erbitterten Gegner die Kirche während der Sedisvakanz bis zur Wahl des neuen Papstes führen, ist eine seltsame Fügung des Schicksals.

Für Bertone steht nach dem Rücktritt seines Mentors Joseph Ratzinger viel auf dem Spiel. Die Zahl seiner Gegner in der Kurie ist groß, die Verschwörungstheorien, die sich um ihn ranken, sind zahlreich. Dabei ist der 78-jährige Piemontese alles andere als ein Finsterling. Volksnähe war schon immer sein Markenzeichen. Seine Begeisterung für den Fußball ist seit der Ordensschule ungebrochen. Als Erzbischof von Genua bejubelte der Tifoso im Priestergewand die Treffer von Genoa und Sampdoria. Sein Herz aber gehört dem Turiner Verein Juventus. Neben dem Fußball gehört Bertones Leidenschaft der Gastronomie. Die Küche der piemontesischen Pfarrhäuser ist ihm bestens vertraut.

1995 wechselte Bertone in den Vatikan, wo seine steile Karriere zunächst als Sekretär Ratzingers in der Glaubenskongregation begann. Nach dessen Wahl zum Papst warnten etliche Kurienkardinäle Benedikt XVI. vor der Beförderung des Bauernsohns zum Staatssekretär, der informell als "Regierungschef" des Vatikan gilt - vergeblich. Die Aufhebung der Exkommunikation des Holocaust-Leugners Richard Williamson wurde Bertone ebenso angelastet wie das Missmanagement in der Vatileaks-Affäre und die Torpedierung von Ratzingers Transparenzbemühungen in der Vatikanbank IOR.

Das übelste Missgeschick unterlief ihm in einer Erbschaftsangelegenheit seines Salesianer-Ordens, dem der Baron Alessandro Gerini sein gesamtes Hab und Gut vermacht hatte. Bertone verließ sich dabei auf einen zwielichtigen syrischen Vermittler. Dem Orden, der nun 130 Millionen Euro zurückzahlen muss, droht jetzt der Bankrott.

Angezählt ist Bertone schon lange. Auf die Rückendeckung Ratzingers kann Eminenz in Zukunft nicht mehr bauen. Dessen Nachfolger zu werden, darauf hat der 78-Jährige keine Chance. Aber im Unterschied zu seinem ungeliebten Vorgänger Angelo Sodano, der wegen seines Alters nicht am Konklave teilnehmen kann, wird Bertone versuchen, ein wichtiges Wort mitzureden und die Kür eines weiteren Feindes zu verhindern: Angelo Scola. (Gerhard Mumelter, DER STANDARD, 15.2.2013)