Der erste Entwurf einer Steam Box des Herstellers Xi3 ähnelt in der Hardware-Ausstattung aktuellen Mini-PCs.

Foto: Polygon/Valve/Montage

Bis vor wenigen Jahren war die Videospielwelt noch in zwei Hälften geteilt: Es gab PC-Spieler und Konsolenspieler. Der PC stand für neueste Technologien, höchste Präzision und eine offene Plattform für Spieler, Hersteller und Hobby-Entwickler. Die Konsole stand hingegen für ein geschlossenes, aber relativ günstiges und einfach zu bedienendes Spielsystem. Mit der Etablierung von Smartphones und Tablets wurde der Markt aufgebrochen. Sie sind einfach zu bedienen, sind ständig verfügbar und die Entwicklung von Spielen ist im Vergleich zu traditionellen Konsolen günstig.

Nun zeichnet sich am Horizont ein weiterer neuer Mitspieler ab: die "Steam Box". Das ist natürlich nur ein provisorischer Name für das, was Spielhersteller und Online-Store-Betreiber Valve mit einem neuen System für PC-Spiele plant. Mit Hilfe der Controller-freundlichen Benutzeroberfläche "Big Picture" und auf das Spielportal Steam optimierter Hardware soll der Spiele-PC Einzug im Wohnzimmer halten. Was bedeutet das für die Spieler, den Markt und die Entwickler? Ist das ein einfacher Spiele-PC, ein weiteres Konsolenangebot oder gar ein trojanisches Pferd für die Linux-Spielrevolution?

PC oder Konsole?

Bisher bekannt ist, dass Valve sowohl an eigenen Referenzdesigns für die propagierte Steam Box als auch an neuen Eingabegeräten arbeitet. Mitbegründer Gabe Newell zufolge wird es aber auch Steam Boxen von anderen Herstellern geben. Wenngleich die Software, als Steam, allen PC-Betriebssystemen zur Verfügung steht und daher von jedem genutzt werden kann, machte Newell im Vorfeld klar, dass eine Steam Box oder ein Steam-PC "definitiv eine stark kontrollierte Plattform sein" wird. "Wenn Sie mehr Flexibilität suchen, können Sie immer noch einen konventionellen PC kaufen", hieß es im Dezember.

Dies lässt darauf schließen, dass Valve auf selektierte PC-Komponenten setzen und diese anderen Herstellen empfehlen wird, um den Spielbetrieb und die Entwicklung zu optimieren und die Kosten im Rahmen zu halten. Eine vordefinierte Hardware sowie eine integrierte Softwareplattform und ein dazugehöriger Vertriebskanal in Form von Steam sprechen eigentlich dafür, dass eine Steam Box dem Konzept nach einer konventionellen Konsole ähnelt. "Wenn man es genau nimmt, ist das auch nur eine Konsole", kommentierte auch Crytek-Chef Cevat Yerli Anfang Februar Valves Projekt im Interview mit dem GameStandard. "Der PC lebt von einer komplett offenen Architektur. Die PC-Philosophie geht davon aus, dass ich ein Spiel überall erwerben kann und ich unabhängig von einer Plattform bin. Und sie besagt, dass die Hardware unabhängig von der Plattform erweitert werden kann", meint Yerli.

Eine Konsole mit PC-Eigenschaften

Man kann es vielleicht so betrachten: Valve plant eine Konsole mit einigen Eigenschaften eines PCs. Dazu gehört, dass die zugrunde liegende Architektur nicht neu erfunden wird. Dem Unternehmen zufolge wird das neue System auf Windows und alternativ Linux setzen. Für Mac stellt man den Steam-Client bereit. Entwicklern wird das Leben leicht gemacht, denn zum Vertrieb über Steam müssen Studios keine teuren Lizenzen wie bei Nintendos, Sonys oder Microsofts Konsolen erwerben. Das beflügelt die Szene, wie man anhand unzähliger spannender Indie-Produktionen im PC-Bereich sieht. Auch müssen Entwickler keine proprietären Entwicklungswerkzeuge erwerben und können sich auf ihr PC-Know-how stützen. Dieses gesteigerte Maß an Freiheit betrachtet Newell auch als stärkstes Argument für die Steam Box, weshalb er es bisher auch vermied, von einer Steam-Konsole zu sprechen. "Ich denke, die meisten Konsumenten und Entwickler werden feststellen, dass der PC die bessere Plattform für sie ist."

Trojanisches Pferd für Linux?

Und mit PC meint der Valve-Chef tatsächlich über kurz oder lang nicht Windows oder Mac. Vorangegangenen Aussagen nach zielt der Hersteller darauf ab, Linux als zentrale Spielplattform durchzusetzen. Newells lautstarke Ansagen wie "Windows 8 ist eine Katastrophe für den PC" ist zu entnehmen, dass er Microsofts (und auch Apples) Bestrebungen in Richtung geschlossener Ökosysteme missbilligt. Sollten Windows und Mac eines Tages wie die Mobile-Plattformen iOS und Windows Phone nur noch Microsofts und Apples Vertriebskanäle zulassen, stünde Steam vor dem Aus. Insofern hat die Steam Box den Anschein eines Zugpferdes für die Linux-Spielrevolution. "Sie haben gar keine andere Wahl. Sie müssen von Windows weggehen, und da bleibt nur Linux über", beurteilt Yerli die Situation.        

Steiler Weg

Sollten sich Newells Befürchtungen bewahrheiten, wäre die Steam Box mit Linux nicht weniger als Valves Hoffnungsschimmer, um auf einem Markt überleben zu können, der unter die Kontrolle mächtiger Betriebssystemhersteller zu geraten droht. Die Flucht nach vorne wird sich jedoch alles andere als einfach gestalten. Steam ist zwar bereits für Linux erhältlich, doch das Spielangebot ist noch so verschwindend klein, dass es für Windows-Spieler keinen triftigen Grund gibt umzusteigen. Derzeit befinden sich etwas weniger als 60 Spiele für Linux und tausende Spiele für Windows im Steam-Portfolio.

Und Spiele sind auch der Grund, weshalb Valves Kampfansage an die Konsolenhersteller in der Branche noch nicht zu ernst genommen wird. "Ich bin ein ausgesprochener Fan von Gabe Newell. Und 'Portal' ist einer meine absoluten Favoriten. Doch abgesehen davon hat Valve bislang noch nicht genügend Informationen herausgegeben, um abschätzen zu können, ob sie das Zeug dazu haben, sich mit den Konsolen messen zu können", sagte Electronic-Arts-Boss John Riccitiello im Februar im Anschluss an eine Investorenkonferenz.   

Milliarden-Investitionen benötigt

Valve verfügt zwar über starke Marken wie "Portal", "Half-Life" und "Left4Dead", doch betrachtet man den eher gemächlichen Veröffentlichungszyklus der eigenen Franchises, ist es fraglich, ob man Konsolenspielern genügend Anreize bieten kann, auf eine Steam Box zu wechseln. Zudem benötige es Riccitiello zufolge mehr als nur die Gunst der Kunden. "Massenerfolg im Konsolenbereich ist für gewöhnlich auf Milliarden Dollar schwere Investitionen in die Entwicklung von Inhalten, Handelsbeziehungen, Onlinepartnerschaften, Konsumentenmarketing, Produktion und Fertigungsprozesse und dergleichen zurückzuführen."

Ähnliche Bedenken äußerte auch Microsofts Phil Harrison, Industrieveteran und ehemaliger Entwicklungschef bei Sony PlayStation, gegenüber Valves Unternehmungen. "In den Hardwaresektor einzusteigen ist eine wirklich schwierige Angelegenheit. Man muss große Standhaftigkeit aufweisen, tiefe Taschen und viel Geld mitbringen. Die wenigsten neuen Marktteilnehmer werden groß und verkaufen hunderttausende oder Millionen Geräte."

Und wenn selbst der Chef von EA, immerhin Herausgeber einiger Valve-Titel, noch nicht gut informiert wurde, scheint das Projekt Steam Box tatsächlich noch in den Kinderschuhen zu stecken. "Basierend darauf, was bisher gesagt wurde, könnte es alles sein - vom coolen Nischenprodukt bis zu einem Produkt, das tatsächlich die Stemmkraft hat, unsere Industrie weiterzubringen." (Zsolt Wilhlem, derStandard.at, 17.2.2013)