Fleetwood Mac legten 1977 mit "Rumours" ein zentrales Album des Adult-Pop vor.

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Was für ein Monster. Bis heute wurden von diesem Album gut 40 Millionen Stück weltweit in unzähligen Neuauflagen verkauft. Nach seinem Erscheinen im Jahr 1977 verkaufte es in guten Wochen an die 800.000 Einheiten. Es hielt sich insgesamt 31 Monate in den US-amerikanischen Top-Ten. Und Rumours von Fleetwood Mac beeinflusst bis heute nachfolgende Musikergenerationen, wenn es darum geht, den Pop durchaus auch als Angelegenheit der Erwachsenenwelt zu betrachten.

Mit der jetztigen Wiederauflage dieser Songsammlung leitet die Band um den ursprünglich aus Großbritannien stammenden Schlagzeuger Mick Fleetwood also nicht nur eine groß angelegte Welttournee ein. Das wäre nichts Neues. Immerhin finden sich die Bandmitglieder alle paar Jahre wieder zur Mehrung der Pensionskassa auf dem Nostalgiemarkt zusammen. Auch von neuem Songmaterial wird geraunt. Vor allem aber geht es auch darum, 36 Jahre nach dem Erscheinen von Rumours noch einmal darauf hinzuweisen, dass Pop schon damals allein aufgrund der unglaublichen Verkaufszahlen von Rumours in der Mitte der Gesellschaft angekommen war.

Die ursprünglich elf Lieder auf Rumours stellen dabei ein Dokument diverser Scheidungskriege dar. Keyboarderin Christine und Bassist John McVie, die 1974 gemeinsam mit Bandgründer Mick Fleetwood nach Los Angeles übersiedelt waren und gemeinsam mit dem kalifornischen Ehepaar Stevie Nicks und Lindsey Buckingham aus der britischen Bluesband Fleetwood Mac eine veritable Popband gemacht hatten, waren gerade im Streit auseinandergegangen. Mick Fleetwood trennte sich von seiner Frau. Und Nicks und Buckingham als neue Frontfiguren bekriegten sich zwischen Gitarrenjaulen und Geschirrzerdeppern ebenso heftig.

Die chaotischen Produktionsbedingungen während zweier Monate in diversen Studios, die noch zusätzlich vom damals allgegenwärtigen Rekreationspulver Kokain befeuert wurden, finden in den Songs auf Rumours ebenso Eingang, wie man musikalisch in zermürbenden Sessions nach Perfektion und Wohlklang suchte. Wie Mick Fleetwood Jahre später heiter anmerkte, handelte es sich damals beim Kokain um ein Geschenk Gottes an die Menschheit, mit dem der Schöpfer seinen Leuten sagen will, dass sie zu viel Geld besitzen. Geld wurde auch in den Studiosessions für diverse Gitarren-Extraspuren, Schlagzeugkosmetik und Basstupfer ausgegeben. Von den Chorsätzen ganz zu schweigen. Wie man nun im Booklet der neuesten Luxusedition von Rumours lesen kann, hätte man dort, wie der Mann sagt, in den Aufnahmeräumen keine Fliege sein wollen.

Dennoch strahlen Songs wie Dreams, Don't Stop, Go Your Own Way oder die Koksballade Gold Dust Woman noch immer eine Wirkungsmacht aus, gegen die zeitgleich angetretene Verfechter des schneidend scharfen Adult Orientated Rock wie Supertramp oder Eagles wie die ambitionierte Bezirksliga klingen. Die Texte der gleichberechtigten SongschreiberInnen Buckingham, McVie und Nicks beschäftigen sich zu heiter-melancholischen Melodien und Arrangements aus der Mamas & Papas-Schule mit Beifügung von Reststrukturen des Blues des weißen britischen Mannes aus den 1960er-Jahren mit Scheidung, Ehekrieg, Absturz und Neuanfang.

Ein Klassiker des Rosenkriegs ist dabei die erste Numer des Albums. In der polygam-euphorischen Post-Trennungs- und Aus-meiner-Wohnung-mache-ich-einen-Puff-Hymne Second Hand News lässt Lindsey Buckingham seine Ex im Chor jubeln, dass einem ganz anders wird. Interessanterweise weiß man das Böse allerdings trotz aller Eingängigkeit und Bekanntheit beinahe sämtlicher Lieder trotzdem jederzeit auf der Seite Fleetwood Macs. Im gleichen Jahr wie Rumours erschien auch der erste Star-Wars-Film. Wie dieser finden sich bei Fleetwood Mac kindliche Naivität, totale Versautheit und abgrundtiefer Zynismus auf Hochglanz poliert wieder. Hören Sie sich das an. Ein anderer Mensch Du danach sein wirst, junger Jedi.  (Christian Schachinger, Rondo, DER STANDARD, 15.2.2013)