Wien - Bevor das Wort "Szenewirt" überhaupt kreiert wurde, schaffte Franz Thell im trüben Wien der 1970er-Jahre mit der Gründung des Lokals "Motto" einen urbanen Treffpunkt. "Er hat uns das Leben gerettet, sonst wären wir gestorben vor Fadesse", erzählt Marianne Kohn, Chefin der Loosbar und damals Kellnerin im Motto.
Der junge Helmut Lang hieß noch "Bubu", war nicht nur hinter der Bar tätig und organisierte hier seine ersten Modenschauen, er war vor allem Thells Lebensgefährte. Er habe eine unglaubliche Offenheit hineingebracht, sagt Bernd Schlacher, der Thell das Motto 1991 abkaufte. "Er war eine Vorreiterfigur - was heute ganz normal ist, dass alle durchgemischt zusammen feiern, gab es in Wien nur im Motto."
Perfektionist mit großem Herz
Ein Visionär für ein liberales, glückliches Leben sei Thell gewesen, erzählt Michael Palatin, der zur großen Clique im Motto gehörte. "Er hat einer ganzen Generation junger schwuler Männer Selbstbewusstsein gegeben und ihnen geholfen, ihren Platz im Leben zu finden."
So gut Thell es vermochte, den Wienern Toleranz und Lebensfreude einzuimpfen, so schwer fiel ihm der Umgang mit Geld. So musste er später auch sein Café im Hundertwasserhaus abtreten. Thells Großzügigkeit Freunden gegenüber war legendär, und die Kellner bekamen schon einmal eine Rolex von ihm geschenkt.
Andreas Lackner, ebenfalls im Motto sozialisiert, beschreibt ihn als Perfektionisten mit großem Herz, "der sich irgendwann selbst im Weg stand". Thell verstarb im Alter von 61 Jahren und wird am Freitag in seiner Heimat im Burgenland beigesetzt. (juh, DER STANDARD, 14.2.2013)