Österreichs Verfechter der Informationsfreiheit und Verwaltungstransparenz schielen neidisch auf Hamburg. Dort wurde im Juni 2012 ein Transparenzgesetz installiert, das deutschlandweit seinesgleichen sucht. Geht es nach der österreichischen Initiative transparenzgesetz.at, soll das Hamburger Modell auch in Österreich zum Einsatz kommen. derStandard.at sprach mit Gregor Hackmack, Mitglied des Bündnisses "Transparenz schafft Vertrauen", über die Vorteile des Gesetzes für Bürger und Verwaltung und darüber, wie Hamburger Bürger, Organisationen und Journalisten mit der neuen Informationsflut umgehen können.
derStandard.at: In Hamburg wurde die Initiative für die Schaffung eines Transparenzgesetzes am 28. Oktober 2011 gestartet, schon am 13. Juni 2012 wurde ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Warum ist das so schnell gegangen?
Hackmack: Wir haben in Hamburg ein dreistufiges Verfahren für die Volksgesetzgebung. Zuerst muss man im Rahmen einer Volksinitiative mindestens 10.000 Unterschriften sammeln, das haben wir in sechs Wochen geschafft. Wir hatten uns eigentlich schon auf die nächste Stufe, das Volksbegehren, eingestellt. Bei der parlamentarischen Anhörung im Februar 2012 konnten wir die Parteien aber offenbar von unserer Gesetzesvorlage überzeugen. Außerdem sind sie davon ausgegangen, dass wir den Volksentscheid gewinnen würden. Dieser wäre dann am Tag der Bundestagswahl 2013 erfolgt. Die Parteien sind dann von sich aus auf uns zugekommen.
derStandard.at: Wollte die Politik die Transparenzgesetzgebung nicht mit der Bundestagswahl in Verbindung bringen?
Hackmack: In der hamburgischen Bevölkerung gibt es eine große Forderung nach Transparenz. Das hängt zusammen mit dem Bau der Elbphilharmonie, einem 500-Millionen-Euro-Desater, das ursprünglich als kostenneutral versprochen wurde. Das hat die Landesregierung unter Druck gesetzt. Damals waren die Piraten auch stärker in den Umfragen. Parteien kalkulieren natürlich auch mit Wählerstimmen. Sie haben sich gefragt, ob sie einen solchen Volksentscheid überstehen oder ob er Wählerstimmen bei der Bundestagswahl kosten wird.
derStandard.at: In Österreich wird diskutiert, ob ein Transparenzgesetz für die Verwaltung auf Bundesebene kommen soll, im September finden Nationalratswahlen statt. Ist auch für Österreich ein gutes Fenster vorhanden?
Hackmack: Es erscheint mir zumindest so. Vor den Wahlen kann man solche Projekte am besten voranbringen. Ich glaube, bei der Forderung nach mehr Transparenz herrscht Konsens in der Bevölkerung, sowohl von rechter als auch von linker Seite. Insofern ist das ein Thema, das man gerade im Vorfeld von Wahlen gut durchsetzen kann.
derStandard.at: SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim sprach sich auch gleich für das Veröffentlichen der Steuerakten von Bürgern aus.
Hackmack: Es geht beim Transparenzgesetz um den transparenten Staat und nicht um den gläsernen Bürger. Die Maxime unserer Initiative in Hamburg war: öffentliche Daten nützen, private schützen. Der Vorstoß, dass man auch die Steuererklärung von Bürgern ins Netz stellen soll, hat nichts mit dem Transparenzgesetz zu tun. Das ist Angstmacherei, mit der versucht werden soll, das Gesetz abzuwehren. Bei der Transparentmachung von staatlichem Handeln gibt es zwei große Ausnahmen: den Schutz persönlicher Daten und von Geschäftsgeheimnissen. Das kann man per Gesetz sehr klar definieren.
derStandard.at: Könnte ein solches Gesetz auch für die öffentliche Verwaltung selbst von Vorteil sein?
Hackmack: Unsere Landesregierung hat zwei Jahre Zeit, das öffentlich einsehbare Informationsregister zu installieren. Wir sehen, dass die Verwaltung diesbezüglich sehr enthusiastisch ist und ihr Verwaltungshandeln auch jetzt schon dementsprechend organisiert. Das Informationsregister birgt auch große Chancen, die Verwaltung effizienter zu machen. Momentan ist es auch von Behörde zu Behörde schwierig, an Informationen zu kommen.
derStandard.at: Sie haben das Gesetz mitverhandelt. Was war der größte Streitpunkt mit der Politik?
Hackmack: Die Politik wollte möglichst wenige Daten freigeben, und wir wollten, dass möglichst viele Daten freigegeben werden. Der Senat wollte viele Ausnahmen in das Gesetz einbringen. Streit hat es gegeben bei den Geheimhaltungsvorschriften. Letztendlich konnten wir uns in allen Punkten einigen. In einigen Punkten wurde unsere Gesetzesvorlage sogar verschärft. Die SPD wollte etwa unbedingt, dass die Vergütungen für die Geschäftsführer öffentlicher Unternehmen veröffentlicht werden.
derStandard.at: Was wird sich für die Hamburger ändern, wenn das Informationsregister 2014 online ist?
Hackmack: Es wird für Bürger sehr einfach sein, auf öffentliche Informationen zuzugreifen. Wir versprechen uns davon aber auch einen Innovationsschub für die Wirtschaft. Auf dieser Basis können viele Dienstleistungen aufgebaut werden. Es können zum Beispiel Apps entwickelt werden, die Leute interessengemäß informieren. Etwa darüber, wo Baugenehmigungen beantragt werden oder wo ein Baum gefällt wird. Manchmal ist es zu spät, sich zu engagieren, wenn die Baufahrzeuge anrollen. So können Bürger früher und aktiver in politische Prozesse eingebunden werden.
derStandard.at: Wird die Datenbank auch eine Rolle bei der Korruptionsbekämpfung spielen?
Hackmack: Ja, klar. Künftig werden alle Verträge, die die Stadt abschließt, nicht nur veröffentlicht, sondern einen Monat vor Inkrafttreten veröffentlicht. Wenn die Stadt etwa einen Vertrag mit einem Bauunternehmen schließt, können etwaige Konkurrenzunternehmen sofort Alarm schlagen, wenn es nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Es wird mehr Druck auf die Verwaltung geben, Verträge sauber abzuschließen.
derStandard.at: Die JournalistInnen müssten in Hamburg im siebenten Himmel sein ...
Hackmack: Eigentlich schon. Aber der Witz ist: Journalisten hatten bislang exklusiven Zugang zu einzelnen Informationen, die ihnen von der Politik zugespielt wurden. Das hatte den Vorteil, dass sie eine Nachricht hatten die sie exklusiv verbreiten konnten, und sie mussten auch nicht so viel lesen. Jetzt liegt der ganze Vertrag vor, das sind mehrere tausend Seiten. Journalisten haben eine komplett neue Rolle, denn diese Informationsflut muss auch aufgearbeitet und dargestellt werden. Journalisten werden auch enger mit den Bürgern zusammenarbeiten müssen.
derStandard.at: Das Prinzip der Schwarmintelligenz, das bei der Plagiatsdokumentation im Fall Guttenberg wirkte, wird dann eine größere Rolle spielen?
Hackmack: Das wird sehr wichtig sein. Wir haben deshalb auch festgelegt, dass die Daten nicht in irgendeinem Format zur Verfügung gestellt werden, sondern in einem Open-Data-Format. Die Daten müssen maschinenlesbar und auswertbar sein, so dass auch Datenjournalismus angewandt werden kann. Mit bestimmten Suchabfragen wird man auch die interessanten Passagen schnell finden. Einzelne Interessengruppen werden auch Alarm schlagen und auf brisante Passagen aufmerksam machen. Für Journalisten wird es wichtig sein, Informationen zu orten, auf die Agenda zu setzen und weiterzurecherchieren.
derStandard.at: Ob die Behörden tatsächlich alle Dokumente veröffentlichen, wird vom Hamburger Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit überprüft?
Hackmack: Genau. Seine Stelle ist dafür zuständig. Sollte Dokumente fehlen oder nicht gesetzeskonform veröffentlicht werden, fordert er die Behörde auf, diese nachzureichen.
derStandard.at: Und wenn nicht, gibt es dann eine Strafe?
Hackmack: Als Gesetzesgrundlage für Sanktionen dient uns nicht das Strafgesetzbuch, sondern das Verwaltungsrecht. Es kann zu einer Klage beim Verwaltungsgericht kommen. Für einzelne Beamte, die Dokumente nicht veröffentlichen, sind keine Strafen vorgesehen. Behördenintern kann es allerdings zu Disziplinarmaßnahmen kommen.
derStandard.at: Planen Sie beim Transparenzgesetz weitere Initiativen?
Hackmack: Das Gesetz ist am 6. Oktober 2012 in Kraft getreten. Wir haben die Plattform fragdenstaat.de ins Leben gerufen. Bürger können dort Anfragen nach dem Transparenzgesetz stellen, die wir an die zuständigen Stellen weiterleiten und dann auch veröffentlichen. In diesem Bereich möchten wir weiterarbeiten. Mehr Demokratie e. V. ist nur ein kleiner Teil der Zivilgesellschaft. (Katrin Burgstaller, derStandard.at, 14.2.2013)