Im Herzen jung: Schauspielerin Elfriede Ott. Seit vier Jahren porträtiert Karikaturist Oliver Schopf bereits Künstler für das "Theaterhotel".

Cartoon: Schopf

STANDARD: Sie kommen aus einer traditionsreichen Uhrmacherfamilie. Als Sie Ihren Eltern damals davon berichteten, Schauspielerin werden zu wollen, haben die das sofort akzeptiert?

Ott: Mein Vater nicht, aber meine Mutter schon. Sie war sehr glücklich mit meiner Entscheidung und hat sich von Anfang an mitgefreut und mitgelitten - halt alles, was dieser oftmals schwierige Beruf mit sich bringt. Mein Vater konnte leider nicht mehr erleben, dass aus mir was geworden ist.

STANDARD: Wie kamen Sie zum Ihrem ersten Engagement?

Ott: Ich habe einfach vorgesprochen. Mein erstes Engagement war am Burgtheater.

STANDARD: Haben sich die Anforderungen an junge Schauspieler im Vergleich zu Ihrer Jugendzeit verändert?

Ott: Im Grunde nicht. Man muss vor allem Talent haben, und das spürt man sofort. Ich unterrichte ja schon sehr lang, habe 19 Jahre die Schauspielabteilung am Konservatorium geleitet. Aus dieser Zeit sind auch sehr viele Schauspieler hervorgegangen, die heute noch erfolgreich spielen: Ob das jetzt die Sandra Cervik, der Nicholas Ofczarek oder die Kristina Sprenger ist - die sind alle aus meinem "Stall". Mittlerweile leite ich eine eigene Schauspielakademie, seit drei oder vier Jahren haben wir nun Abschlussprüfungen. Schauen wir, was draus wird.

STANDARD: Erspüren Sie das Talent sofort, sobald jemand den Raum betritt?

Ott: Ich habe eine eigene Technik entwickelt: Einen Paravent habe ich bei der Türe aufgestellt, damit ich nicht sofort sehe, wer reinkommt. Zuerst achte ich immer auf die Stimme und bekomme dadurch ein Gefühl, ob da etwas ist, das mich interessiert. Wenn ich "jetzt" sage, treten die Schauspielschüler hinter dem Paravent hervor, und ich sehe, ob derjenige Charisma hat. Talent ist schwer zu beschreiben.

STANDARD: Wenn man aber nur Talent braucht, wozu bedarf es dann noch einer Ausbildung?

Ott: Viele große Komiker wie Max Böhm oder Ernst Waldbrunn waren nie in einer Schauspielschule. Sicher kann das auch so gehen, aber heute ist das nicht mehr ganz so leicht, weil man ja erst durch die Prüfung an der Schauspielschule ein Diplom bekommt. Am Konservatorium ist das jetzt sogar eine Hochschule - was ich eine Katastrophe finde. Schlussendlich fragt aber eh keiner nach dem Diplom. Es geht eher darum, viel zu spielen und den Beruf kennenzulernen.

STANDARD: Junge Schauspieler haben heutzutage Schwierigkeiten, ihren Lebensunterhalt mit ihrer Leidenschaft zu bestreiten.

Ott: Furchtbar! Es ist heute eine Katastrophe für die jungen Leute. Früher war es auch nicht einfach, aber es gab wenigstens mehr Möglichkeiten. Die Theater haben nun einmal eine gewisse Anzahl an Schauspielern, und da geht dann nichts mehr rein. Es muss im Grunde einer sterben, damit ein Platz frei wird. Und dann dieses Sparen! Die jungen Leute haben oft nur die Gelegenheit, in einen Keller zu gehen und dort Theater zu spielen. Aber da verdienen sie nichts.

STANDARD: Angesichts dieser schwierigen Arbeitssituation für den Nachwuchs: Raten Sie manchen Schülern davon ab, den Beruf zu ergreifen?

Ott: Ich warne sie gleich am ersten Tag und sage ihnen: Nur wenn für dich überhaupt nichts anderes auf der Welt infrage kommt als das Schauspielen, dann mach's!

STANDARD: Sie haben in Ihrer langjährigen Laufbahn sehr viele Komödien und lustige Stücke gespielt.

Ott: Dabei habe ich immer den Wunsch gehabt, einen Ibsen zu spielen. Aber man hat mir immer lieber irgendeine Komödie gegeben, die dann meist ausverkauft war und blind gegangen ist. Ich wollte immer auch ernstere Rollen spielen, aber das wollte der Theaterdirektor oft nicht, der die Stücke besetzt.

STANDARD: Kann man überhaupt zwischen hoher Kunst und seichten Komödien unterscheiden?

Ott: Das ist der große Irrtum: Eine wirkliche Komödie gut zu spielen ist eine große Kunst, das können nur ganz wenige. In Paris und am Broadway in New York sind die Komödien ganz oben. Bei uns hat das so ein bisschen etwas Abwertendes.

STANDARD: Gibt es eigentlich einen typischen Wiener Humor? Wenn ja, wie schaut der aus?

Ott: Das kommt drauf an. Der Wiener Humor kann schon auch sehr vulgär und negativ sein. Was besonders dem Wiener eigen ist, aber auch dem Österreicher im Allgemeinen: dass er nicht an sich glaubt und sehr an sich zweifelt.

STANDARD: Sind Schauspieler, die auf lustige Rollen abonniert sind, im wirklichen Leben auch lustig?

Ott: Überhaupt nicht, im Gegenteil. Was zum Beispiel Otto Tausig alles gespielt hat - und der war weiß Gott nicht immer lustig! Oder denken S' an den Moser, möchten Sie den als Onkel haben? (Fabian Kretschmer/David Tiefenthaler, DER STANDARD, 13.2.2013)