Eine neue Funktion von Facebooks Graph Search zeigt nicht befreundete User von "Bang with Friends".

Foto: derStandard.at

Bestätigt: Völlig unbekannte "Bang with Friends"-User tauchen auch bei einem Testsuchlauf des WebStandard auf.

Screenshot: derStandard.at

Eine veritables Problem tut sich in Facebooks neuer Suchmaschine "Graph Search" auf. Dank eines neuen Features, das im laufenden Betatest hinzugefügt wurde, können die Nutzer verschiedener Apps angezeigt werden, ohne dass der Suchende diese ebenfalls verwenden muss.

Testlauf zeigt Berlinerinnen, die "Bang with Friends" nutzen

Wie heikel das sein kann, zeigt eine von Gerald Bäck (Mitgründer des Webdienstes archify) durchgeführte Probesuche anhand der App "BangWithFriends". Diese dient eigentlich dazu im Facebook-Freundeskreis – und nur dort – Menschen, die nach gemeinsamen erotischen Abenteuern suchen (siehe WebStandard-Artikel), zu finden. Wer die App auf Facebook nutzt, sieht normalerweise ausschließlich andere Nutzer, wenn die sich in der eigenen Freundeliste finden und gegenseitige Bereitschaft für ein Schäferstündchen da ist.

Nicht so mit der Graph Search. Eine von Bäck, der die App nicht verwendet, durchgeführte Probesuche nach "Frauen, die nicht mit mir befreundet sind, 'BangWithFriends' verwenden und in Berlin leben' zeigte ihm auch eben diese Personen an. Dieses Problem hat er mit einem Screenshot belegt. Laut Bäck kann auch nach Freunden eigener Freunde gesucht werden, die die das Kuppelwerkzeug nutzen.

Freundschaft und App-Nutzung keine Voraussetzung

Prinzipiell ist also für jeden, der Zugang zur Graph Search hat, aktuell einsehbar, wer nach Sexualpartnern unter den eigenen Freunden sucht. Eine Facebook-Freundschaft mit diesen Personen ist nicht Voraussetzung. Die einzige definitive Voraussetzung ist, selbst Mitglied des weltgrößten Social Networks und eben einer der Graph Search Betatester zu sein, wobei letzteres freilich nicht für die "Gefundenen" gilt.

Apps gewähren Einblicke in Tätigkeiten und Interessen

Das Rad lässt sich freilich weiter drehen. Das Problem dürfte wohl nicht nur das Techtelmechtel-Tool, betreffen, sondern grundsätzlich alle Apps. Und diese können mitunter einiges über die Interessen und Aktivitäten ihrer User verraten. Jede App bringt grundsätzlich ihre eigene Privacy Policy mit.

Die neue Funktion der sozialen Suche – Lookk.com-Mitgründer Andreas Klinger bestätigt in einem Kommentar, dass diese vor einiger Zeit tatsächlich noch nicht existierte. Von Mark Zuckerbergs Konzern war bei der Einführung der Graph Search die Sorgfalt im Umgang mit der Privatsphäre betont worden. Die Betonung lag stehts darauf, dass die Suchergebnisse besonders durch Informationen von eigenen Freunden angereichert würden.

Facebook: Privatsphäre-Einstellungen nicht geändert

Was über die Graph Search angezeigt werden kann, soll - wie Facebook mehrfach mitteilte - auch vorher schon auffindbar gewesen sein, da es keine Änderungen der Privatsphäreeinstellungen gab. Die Suchmaschine erspart dabei allerdings einige Umwege. Wer herausfinden wollte, ob jemand (öffentlich) "Bang with Friends" verwendet, musste bislang einzelne Userprofile danach absuchen. Nun werden die Nutzer nach wenigen Klicks übersichtlich aufgelistet. Auf den Seiten der Apps selbst wiederum sind nur Freunde zu sehen, die sie verwendet.

"Bang with Friends" bringt die strengstmögliche Privatsphäreneinstellung mit, unter der Aktivitäten der App nur für den jeweiligen Nutzer zu sehen sind und unter welchen er auch aus sämtlichen Graph Search Resultaten ausgeschlossen sein sollte. Die Einstellung, die sich für jede App im Nutzerkonto nachträglich verändern lässt, heißt "Posts on your behalf" (deutsch: "Diese Anwendung kann..."). Dass dies prinzipiell funktioniert, konnte erfolgreich getestet werden. Allerdings scheinen sich die Ergebnisse der Graph Search teilweise für unterschiedliche Nutzer zu unterscheiden.

Eine Erklärung zum Umgang mit der Graph Search liefert Facebook in einem kurzen Artikel nebst Video. Dort heißt es: "Die Privatsphäre wird konsequent auf Facebook eingehalten – nicht nur bei der Suche im Social Graph. Wenn ihr kontrolliert, mit wem ihr eure Informationen teilt, bestimmt ihr, mit wem sie überall auf Facebook geteilt werden – dies umfasst die Neuigkeiten, die Chronik und die Suche im Social Graph."

Graph Search bringt "gravierende Änderungen"

Der Mediensachverständige Georg Jeitler sagt in einer ersten Stellungnahme gegenüber dem WebStandard: "Dass der Social Graph mächtiges Tool ist und enormes Potenzial besitzt, ist schon seit langem klar. Nicht umsonst rittern abertausende Apps um den Zugriff auf die Daten der User. Bis heute sind wir es viel zu wenig gewohnt, auf die eigenen digitalen Spuren zu achten: Wenn man bisher im Netz auf etwas zu achten hatte, so waren es zumindest nur Aussagen. Dies ändert sich spätestens mit der Graph Seach von Facebook gravierend."

Jeitler erklärt, dass die Graph Search im Vergleich zur Einführung der Timeline - der Umbau der Nutzerprofile hatte für monatelange Diskussionen und Proteste gesorgt - eine weniger sichtbare Veränderung sei, aber sich viel umfassender auswirkt. War bei der Timeline klar, dass man durch schlichtes scrollen selbst Jahre alte Statusmeldungen auffinden kann, dürfte die neue Facebook-Suche auch dies beschleunigen.

"Die große Frage ist, welche Settings Facebook zur Verfügung stellen wird, um die Privatsphäre zu schützen", so der Fachmann weiter. Er verweist auf Firmenchef Zuckerberg, der vor wenigen Jahren das Konzept der Privatsphäre selbst als "überholt" bezeichnet hat.

Facebook-User werden sichtbarer

Die Verwendung von immer mehr an (nutzergenerierten) Daten, macht für jeden Einzelnen die Verwaltung der eigenen Privatsphäre schwieriger. Eine Kontrolle der Likes auf Seiten ist möglich und auch zumindest zur Formung eines aktuellen Bildes revidierbar", erläutert Jeitler. "Wenn man allerdings Likes auf Statusmeldungen und Kommentare mit einbezieht, wird es schwierig. Auch, welche Apps wir nutzen, sagt viel über uns aus. All dies wird transparenter, suchbarer."

"Wir müssen wissen, was wir tun", so Jeitler abschließend. "Wir müssen uns im Internet verhalten, wie wir uns auch auf einer Bühne verhalten würden." Aufzupassen gilt es auch darauf, wen man zu den eigenen Facebook-Freunden zählt. Denn zumindest vor deren Suchanfragen bei der Graph Search kann man sich kaum verbergen. Jeitler kann sich vorstellen, dass Facebook die möglicherweise "bewußt in Kauf genommene" Lücke schließen wird, er rechnet jedoch mit weiteren Vorstößen dieser Art.

Kritik von ARGE Daten

Kritik an der Graph Search und Facebook im Allgemeinen kommt von Hans Zeger (ARGE Daten). "Facebook ist die weltgrößte Spam-Maschine und tarnt seine Spam-Aktivitäten mit den sozialen Bedürfnissen der Menschen", so der Datenschützer. "Abhilfe wird es wohl erst geben, wenn es ordentliche technische Standards bei der Darstellung von Social Media-Benutzerprofilen gibt. Dann kann sich jeder Benutzer aussuchen, welchem Betreiber mit welchen Features er vertraut, ohne auf die Kommunikation mit seinen tatsächlichen Freunden verzichten zu müssen."

Seiner Ansicht nach, versucht Facebook in Sachen Kommunikation das Rad zurück zu drehen und vom Zeitalter der universalen Kommunikation, wie es etwa mit der globalen Ausbreitung des SMTP-Standards für E-Mails geschehen ist, in ein geschlossenes System zurück zu kehren. Er begrüßt die Initiative der EU-Kommissarin Viviane Reding, den Datenschutz neu zu ordnen und ein Recht auf Herausgabe elektronischer Daten einzuführen als Schritt zu einem "Social Media-Standard".

Bezüglich des aktuellen Falls haben sich nun die "Bang with Friends"-Betreiber gegenüber dem WebStandard zu Wort gemeldet. Sie wünschen sich erweiterte Möglichkeiten zur Konfiguration der Privatsphäreeinstellungen einer App. Aktuell ist abzuklären, ob die in der Graph Search gefundenen User allesamt die App selbst auf öffentlich geschaltet haben, oder es sich eventuell um einen Bug bei der Suche handelt, der nun möglicherweise behoben wurde.

Hilfsmittel für den Schutz der Privatsphäre

Zum Betatest der Graph Search werden aktuell nur für Nutzer zugelassen, die ihren Account mit der Spracheinstellung US-Englisch betreiben. User, die hohen Wert auf Datenschutz legen, steht eine Reihe von Hilfsmitteln zur Verfügung, um zumindest einen Großteil ihrer Daten vor der neuen Suchmaschine zu verbergen.

Der Artikel wird bei Vorliegen neuer Informationen ergänzt. (Georg Pichler, derStandard.at, 13.02.2013)

Update, 14.02.2013, 10:00 Uhr: Neue Erkenntnisse in den Text eingearbeitet.