Eine der wichtigsten Aufgaben des neuen Papstes wird es sein, eine Strategie zu finden, um die christliche Kultur und den christlichen Glauben im Nahen Osten davor zu bewahren, unter dem Ansturm des radikalen, politischen Islam begraben zu werden. Am Entstehungsort des Christentums sind - in Syrien, Ägypten, im Irak, im Libanon - die verbliebenen christlichen Gemeinden schwer unter Druck, und es könnte noch ärger werden. In zerrissenen, wenig erfolgreichen Gesellschaften braucht man Sündenböcke.

Papst Benedikt XVI. war skeptisch gegenüber den Erfolgsaussichten eines "Dialogs" mit dem Islam. Das zeigte sich nicht nur in seiner Regensburger Rede, wo er per byzantinischem Zitat die Aggression des Islam herausstrich. In einer Begegnung mit Journalisten vor etlichen Jahren (anlässlich des Begräbnisses von Kardinal Franz König) zeigte sich der damalige Präfekt der Glaubenskongregation Ratzinger skeptisch: "So gibt es im Islam Menschen und Schichten, die zwar vom Islam als endgültiger Religion überzeugt sind, aber doch bereit sind, in ein Gespräch mit anderen einzutreten, um zu einem Verstehen zu finden. Aber natürlich gibt es eine breite, dominante Schicht, die das nicht will. Jedenfalls denke ich, die Offenheit für einen eigentlichen Dialog über die zentralen Glaubensinhalte ist im Islam gering. Es macht den Dialog sehr schwierig, weil die Überzeugung da ist, dass man mit dem Islam auf der letzten Stufe angelangt ist und man nur dorthin und nicht von dort weggehen kann. Abgesehen vom kulturellen Aufeinanderprall: wo die islamische Welt sich einerseits durch die wirtschaftliche, politische und militärische Übermacht des Westens vergewaltigt fühlt und anderseits ihre eigenen moralischen Werte dem Verfall der westlichen amoralischen Welt gegenüberstellt."

Das beschreibt recht genau die Realität sowohl in den arabischen Ländern wie auch unter den muslimischen Migranten in Europa. Bestenfalls ist ein halbwegs konfliktfreies Nebeneinander möglich, sehr oft aber nicht (von beiden Seiten).

Die christlichen Kirchen haben sich überdies damit abfinden müssen, dass sie in der politischen Realität schon längst nicht mehr deckungsgleich mit dem Staat und der Gesellschaft sind, während auch die gemäßigteren Muslime ihren Glauben als überwölbendes Prinzip betrachten.

Benedikt hatte nach holprigem Beginn wieder eine versöhnliche Geste gesetzt, indem er 2006 in der Blauen Moschee in Istanbul gemeinsam mit dem Mufti "betete" ("meditierte", sagten seine offiziellen Interpreten). Inzwischen hat sich die Situation zumindest im arabischen Raum aber eher verschärft. Der neue Papst wird daher vor der Frage stehen, was genau er gegen die drohende Vertreibung der Christen und die Auslöschung des Christentums in dieser Region tun will und kann.

Vom Standpunkt reformerischer Kräfte auch in Österreichs Kirche ist es sehr wichtig, ob es im Innenverhältnis Fortschritte gibt. Das ist längerfristig eine Existenzfrage. Aber kurzfristig stellt sich die Frage nach der Existenz des Christentums in den muslimischen Ländern. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 13.2.2013)