Bild nicht mehr verfügbar.

Befürworter und Gegner der "Ehe für alle" gingen auf die Straße. Im französischen Parlament waren die Mehrheitsverhältnisse eindeutig.

Foto: Reuters/Pratta

"Die Ehe wird durch zwei Personen unterschiedlichen oder gleichen Geschlechts eingegangen." Dieser kurze Satz steht im Mittelpunkt des Gesetzes, um das die 577 französischen Abgeordneten zwei Wochen lang gerungen haben. Die bürgerliche Opposition versuchte die Verabschiedung mit mehr als 5000 Zusatzanträgen vergeblich zu torpedieren. Mit 329 Stimmen von Sozialisten, Grünen und anderen Linksparteien gegen 229 Stimmen konservativer Gegner verabschiedete die Nationalversammlung am Dienstagabend das Gesetz über die Homo-Ehe, die von ihren Anhängern auch "Ehe für alle" (mariage pour tous) genannt wird.

Allein schon die heiß diskutierte Frage, wie das Corpus Delicti benannt werden sollte, zeugt von der Vehemenz der gesellschaftspolitischen Debatte. Die Rechte bekämpfte vordergründig nicht so sehr die Homo-Ehe an sich, sondern die indirekten Folgen wie etwa die Adoption oder die künstliche Befruchtung homosexueller Frauen. Einige Vertreter der "Union für eine Volksbewegung" (UMP) brachten aber auch grundsätzliche Einwände gegen die "Entwertung der ehelichen Institution" vor.

Gleichgeschlechtliche Partner werden in Frankreich auch Kinder adoptieren dürfen - und zwar nicht nur die Sprösslinge des jeweiligen Partners, sondern auch - gemeinsam - neue Kinder. Diese Neuerung war sehr umstritten: Laut Umfragen ist zwar eine Mehrheit der Franzosen für die Homo-Ehe; in der Frage des Adoptionsrechts ist die Nation aber tief gespalten.

Frage der künstlichen Befruchtung ausgeklammert

Ausgeklammert bleibt vorerst die Frage der künstlichen Befruchtung. Justizministerin Christiane Taubira erklärte während der Debatte, diese Frage werde im Frühling in der Diskussion um das neue Familienrecht behandelt. Auch der Einsatz von Leihmüttern bleibt in Frankreich weiterhin verboten. Taubira kündigte bloß an, durch ausländische - vorwiegend russische, ukrainische oder amerikanische - Leihmütter ausgetragene Kinder erhielten die französische Staatsbürgerschaft. Auch diese Neuerung stieß in der Rechtsopposition auf starken  Widerspruch.

Neben der Adoption erhalten Schwule und Lesben auch die gleichen Ansprüche bei Tod oder Pensionierung. Franzosen und Ausländer werden vor dem Gesetz grundsätzlich gleichgestellt sein.

Verabschiedung wohl erst im Mai

Nach der Abstimmung in der Nationalversammlung muss das Gesetz noch durch den Senat. Da dieser selbst Zusätze anbringen will, dürfte es zu einer zweiten Lesung kommen; die endgültige Verabschiedung könnte im Mai erfolgen. Die Linke hat in beiden Kammern eine bequeme Mehrheit, so dass mit einem parlamentarischen Scheitern der Vorlage im Vorfeld der ersten Abstimmung nicht gerechnet worden war. Die Sozialisten hatten - als einzige Partei - keine Stimmfreiheit her ausgegeben; ihre Ja-Parole kann von der UMP deshalb nicht mehr überstimmt werden. Dies umso weniger, als etwa zehn Prozent der bürgerlichen Parlamentarier für die Homo-Ehe eintreten oder sich der Stimme enthalten wollten.

Konservative und kirchliche Kreise wollen den Druck weiterhin aufrechterhalten und nach einer Großkundgebung im Jänner im März erneut eine halbe Million Gegner der Homo-Ehe auf die Straße bringen. Doch die Luft scheint aus der Gegenbewegung raus zu sein. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 13.2.2013)