Schließlich braucht man keinen Garten, um andern Leuten mit Hilfe von Mutter Natur eins auszuwischen. Und Indoor-Kresse, waren wir uns einig, war eindeutig weniger aufwändig und für die eigne Psyche auf Dauer auch weniger gefährlich, als Schrebergärtners Klassiker, die Thujenhecke an der Grenze zu Nachbars Garten.

Kresse statt Thuje

Mit ihr, der schnellwachsenden, übelriechenden, schattenspendenden und im Kleingartenleben des organisierten deutschen wie österreichischen Vereinsgärtners wohl gerade deshalb so beliebten Nadelpflanze, hatte es begonnen. In der 147. TV-Schrebergartendoku hatte die Thuje und ihr Schatten auf Nachbars Sonnenterasse maßgeblichen Anteil daran, dass sich das Gärtnervolk so zeigte, wie wir alle sind: Hämisch, kleinkrämerisch, nachtragend und vor allem gemein. Nur dass unsereiner halt viel zu erhaben ist, um sich auf das Niveau von Spira-, Am-Schauplatz-, Spiegel-TV- oder anderen mehrheitsfähigen Vorzeigefreaks zu begeben: Unsereiner hat - um einmal die Basics der Differenzierung von der Plebs klarzulegen - keinen Schrebergarten. Man hat ja Kresse.

Es war ein kleines Garten-Frühstück, bei dem die Kresse-Geschichte auftauchte. Wir kannten sie alle. Entweder als Kresse-im-Sofa-Story oder als Kresse-im-(Spann)teppich-Erzählung: Jeder kannte die Mär von den schnellwachsenden Samen, die man in der Wohnung des für ein paar Tage verreisten Bösewichts auf Stoff ausbringt, gründlich gießt und darauf wartet, das Wutgeheul des Gefoppten Tage später über die Dächer der ganzen Stadt zu hören. Aber tatsächlich jemanden vorweisen, der die Wohnung der Ex oder die Matratze eines Widersachers zum Pflanzenbeet gemacht hatte, konnte niemand. Aber darum geht es ja auch nicht.

Kurkuma

Dafür erzählte A. von einer Wurzel - vermutlich Kurkuma - mit der einst der Garten eines Bekannten zerstört worden war: Das gelbe Zeug aus Indien hatte ein böser Mensch zu Urlaubsbeginn mitten im automatisch besprengten Rasen vergraben. Als der Gartenbesitzer zwei Monate später zurückkam, traute er seinen Augen nicht: Wie Krampfadern mäanderten sich die Wurzelstränge durch den einst schönen Rasen. Angeblich, so A., kämpft der gute Mann bis heute mit immer wieder auftauchenden Kurkuma-Resten.

D. hatte uns mit leuchtenden Augen gelauscht - und legte eine andere Stadtlegende nach. Angeblich hatte sie, vor vielen Jahren und in England, selbst an einer derartigen Fopperei mitgewirkt . Aber damals soll das unter dem Etikett „antikapitalistisch-autonomer Widerstand gegen Bonzenterror“ gelaufen sein: Weil ein böser Arbeitgeber seine Untertanen gar schrecklich gequält und unterjochte, hätten sie und ein paar Freunde auf dem Golfplatz seiner Wahl mit Klee- und anderen Samen rund ums Green den Namen des Bösewichts samt schmähender Worte ausgesät. Die Tat habe es bis in mittelgroße Zeitungen geschafft und nur die Entdeckung von interstellaren Kornkreisen habe ihr globalen Ruhm versagt. Uns kam die nette Story trotzdem ziemlich bekannt vor.

Urbane Nutzpflanzen

Dem städtisch-ideologischen Gärtnern, redete sich D. warm, sei sie aber treu geblieben. Und damit, erklärte sie augenzwinkernd, meine sie keinesfalls ihre Rauchwarenwachstumstanks mit Natriumdampflampe, sondern Tätigkeiten, die schon längst unter dem Begriff „Guerilla-Gärtner“ (siehe auch: www.primalseeds.org/guerilla.htm) und mit einem dicken, schweren ideologischen Überbau überzogen, einem etwas größeren Publikum bekannt seien: D. pflanzt Nutzpflanzen an. Und zwar im öffentlichen Raum. Ein paar Radieschen im Stadtpark, Kartoffeln im Auer-Welsbach-Park, Schnittlauch in Schönbrunn - und Erdbeeren und Karotten in den Blumenkisten vor Einkaufszentren und U-Bahnstationen. Einmal, behauptet D., habe sie sogar eine Karotte geerntet. Aber darin, dass aus ihren Saaten bisher sonst noch nie etwas geworden sei, sieht sie auch keine Niederlage: In einigen Städten der Niederlande, so D., sei Guerilla-Gardening schon so verbreitet, dass manche Kommune es zu ihrem eigenen offiziellen Bio-Projekt machen wollten. Und außerdem gehe es ihr ohnehin mehr um die Idee.

Dass sie damit in Wien keine Vorreiterrolle inne habe, traf D. dann aber hart. A. erzählte ihr nämlich, dass es einst mitten am Schwarzenbergplatz ein kleines Getreidefeld gegeben hatte. Und dem, der dann vor laufenden Kameras ebendort den Senn gemacht hatte, wollte keiner von uns irgendwelche Ideologien - abgesehen von der Selbstdarstellung - unterstellen: Es war Helmut Zilk.

Nachlese

--> Freudenau
--> Marina
--> Nachtschwimmen
--> Marina
--> Happels Herzblut
--> Kaffeehausleiden, fortgesetzt
--> Blauklötze
--> Mariahilfer Straße, 7.02 Uhr
--> Roadrunner und Würstelmaus
--> Balkonien

--> Lifeballkarten
--> Kunstraub
--> In der Lagunenstraße
--> Banales Kreuzungsgeschehen
--> Der Mitesser

--> Gratis parken
--> Sternmarsch
--> Wie bei Oma
--> Indien
--> Ein Geschenk

--> Speckgürtel
--> Valentinsdebakel
--> Die Mulde
--> Die Tunnel unter der Stadt
--> Flugrattenpflege

--> Telefonieren für 0 Cent
--> Spaß mit den Nachbarn
--> Drei Zentimeter
--> Noch ein Zimmer
--> Eleanor Rigby

--> Quartierschreberei revisited
--> Weitere Stadtgeschichten ...