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Benedikt XVI., Angelo Scola, Tarcisio Bertone und Angelo Bagnasco (v. unten) im Juni 2012.

Foto: Reuters/Zennaro

Fast alle der 118 Kardinäle, die zur Wahl des neuen Papstes zusammenkommen werden, sind stockkonservativ, einige aufgeschlossen. Stockkonservativ: Das heißt, sie sind gegen die Frauen-Ordination, gegen die Homo-Ehe, gegen Pille und Kondom. Als "aufgeschlossen" gelten jene Kardinäle, die in der seelsorglichen Praxis bereit sind, Kompromisse einzugehen. Dazu zählt der bereits 79-jährige Kölner Kardinal Joachim Meisner, seit er im Falle der Vergewaltigung einer Frau die "Pille danach" erlaubt hat.

Für die Papstwürde ist er zu alt. Denn auf einen alten Papst folgt meistens ein "junger", das heißt, einer um die 60. Dazu kommt, dass es wohl ausgeschlossen ist, erneut einen Deutschen mit dem höchsten Amt der katholischen Kirche zu betrauen. Weshalb die Italiener nach allgemeiner Einschätzung alles daransetzen, einen der Ihren zum Oberhirten zu wählen - zum ersten Mal seit 1979, als Johannnes Paul I. vom Patriarchat von Venedig in den Vatikan berufen wurde.

Nicht weniger als 28 Italiener zählt das Kardinalskollegium derzeit, viele von ihnen allerdings Kurien-Pensionisten, nur wenige sind aktive Erzbischöfe in großen italienischen Städten. Ihr Favorit ist der 71-jährige Angelo Scola, Erzbischof von Mailand und zuvor Patriarch von Venedig. Er gehört ebenfalls zu den "Aufgeschlossenen", während der zweite italienische Favorit, der 70-jährige Erzbischof von Genua, Angelo Bagnasco, ein militanter Gegner der Homo-Ehe und aller genannten Änderungen ist. Genua war immer wieder ein Hort des Konservativismus wie im Falle von Giuseppe Siri, dem Gegenspieler der späteren Päpste Luciani und Wojtyla im jeweiligen Konklave.

Die Position des Kardinaldekans, die Joseph Ratzinger einnahm, als nach dem Tod des polnischen Papstes am 8. April 2005 die Papstwahl vorbereitet werden musste, hat diesmal der ehemalige Kardinal-Staatssekretär (Regierungschef) des Vatikan, Angelo Sodano, inne. Bei ihm laufen also diesmal die Fäden zusammen. Wahlberechtigt ist er mit 85 nicht mehr.

Sein Nachfolger im Staatssekretariat, Tarcisio Bertone, vorher Erzbischof von Genua, ist im Alter Ratzingers, als dieser zum Papst aufstieg. Von ihm wird gesagt, er habe sich mit Benedikt auseinandergelebt, der Fußballfan gilt als ein Machtmensch - insofern das Gegenteil zum Theologen aus Deutschland.

Kompromisskandidaten im Kreis der Italiener sind der Erzbischof von Florenz, Giuseppe Betori (65), ferner Paolo Romero von Palermo, ein Kirchendiplomat, sowie Gianfranco Ravasi, der "Kulturreferent" des Vatikan. Die beiden letzteren sind um die 70.

Wer sind mögliche Kandidaten von außerhalb Italiens? Die amerikanische Kirche möchte endlich einmal zum Zug kommen. Angesichts der gerade in katholischen Kreisen geschätzten Präsidentschaft Obamas eine Chance. Doch der New Yorker Kardinal Timothy Dolan (70), gleichzeitig Vorsitzender der US-Bischofskonferenz, ist ein erklärter Gegner von  Barack Obama und ein Vertreter jener Bischöfe, die den rechtsradikalen Pius-Brüdern entgegenkommen möchten. Deshalb taucht manchmal der Name eines Außenseiters auf: Daniel DiNardo (63) ist Erzbischof von Houston in Texas. Er lebte in den 1980ern als Mitarbeiter der Bischofskongregation in Rom.

Im Unterschied zu früheren Papstwahlen gibt es diesmal keinen hervorstechenden Kandidaten aus Südamerika, sieht man ab von dem immer wieder genannten argentinischen Oberhirten Jorge Mario Bergoglio, in dessen Amtszeit jedoch die Zahl der Mitglieder der Evangelikalen (Protestanten) geradezu explodiert ist.

Schönborn dürfte keine Rolle spielen

Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn dürfte, wenngleich in Rom wie in den USA ungemein gut vernetzt, keine besondere Rolle spielen. Er ist ein "Nachbar" Benedikts, was wahrscheinlich nicht alle im Kollegium so genau unterscheiden können.

Die Ankündigung des Papst-Rücktritts wirft indessen ein interessantes Licht auf die deutschen Bischofsspiele. Erst kürzlich fragte die Frankfurter Allgemeine Zeitung, warum der Kölner Kardinal Joachim Meisner, Strippenzieher bei den meisten Ernennungen, mit 79 noch immer im Amt ist. 75 ist die Altersgrenze. Eine mögliche Erklärung ist, dass der Papst schon länger an Rücktritt denkt - was auch zu Überlegungen geführt haben mag, wie die Zukunft seines wichtigsten Mitarbeiters Georg Gänswein (56) aussieht.

Papst Johannes Paul II. hatte noch zu Lebzeiten dafür gesorgt, dass sein engster Substitut, Stanislaus Dziwisz (73), Erzbischof von Krakau wurde – jener Erzdiözese, die Wojtyla viele Jahre geleitet hatte. Diesem Vorbild könnten nun die Bischofskongregation und der künftige Papst folgen.

Wer immer zum neuen Papst ausgerufen wird - die Wahl zieht sicher einen Umbau der Kurie mit sich, weil Bertone erstens im Pensionsalter ist und zweitens zu sehr - berechtigt oder unberechtigt - mit den Skandalen der letzten beiden Jahre in Verbindung gebracht wird.

Und was ist mit dem Patriarchen von Venedig? Nicht nur Papst Johannes Paul I. kam von dort, sondern auch Johannes XXIII. Der neue Patriarch seit Jänner 2012, Francesco Moraglia (59), ist noch nicht Kardinal. (Gerfried Sperl, DER STANDARD, 12.2.2013)