Wien - Europa, Immigration und die Privatisierung kommunaler Betriebe: Das Feld des politischen Populismus ist weit und treibt vor allem im Vorfeld des Superwahljahres bunte Blüten: "Die Verteidigung des Wassers, obwohl niemand das Wasser angreift, ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich Politiker in einer irrealen Diskussion überbieten", sagte der Politikwissenschaftler Anton Pelinka am Montagvormittag bei der Präsentation der Publikation "Populismus. Herausforderung oder Gefahr für die Demokratie?" des Sir-Peter-Ustinov-Instituts.

Parteien in der Krise

Vor allem die Krise der traditionellen politischen Eliten und des klassischen Parteiensystems habe den Populismus seit den 1980er-Jahren auch in Österreich zum gerne gebrauchten Instrument gemacht, meinte Pelinka. "Inzwischen wird der Begriff aber beinahe inflationär genutzt, ihm gegenüber steht dagegen eine große Hilf- und Ratlosigkeit." Dabei sei Populismus vor allem Technik und nicht Inhalt, die sowohl von rechter als auch linker Seite als Instrument zur Mobilisierung genutzt werde. "Populismus richtet sich traditionell gegen die bestehenden politischen Entscheidungsträger, vereinfacht stark und nutzt die klassische 'Wir gegen die anderen'-Simplifizierung", so Pelinka.

Am stärksten sei das in Österreich bei der FPÖ zu beobachten, bei der diese "holzschnittartige Vereinfachung" - etwa in der Immigrationsdebatte - besonders ausgeprägt sei. Generell gelte jedoch, dass Populismus von Regierungs- beziehungsweise Großparteien schwieriger und weniger glaubwürdig sei. "Die FPÖ muss vermutlich nichts so sehr fürchten wie Regierungsmacht", so Pelinka.

Keine Partei ohne Populismus

"Demokratie und Populismus sind Begleiterscheinungen", ist Pelinka überzeugt. Keine Partei könne gänzlich ohne populistische Tendenzen auskommen. Als Beispiele führte der Politikexperte den Europa-Brief Werner Faymanns und Alfred Gusenbauers (beide SPÖ) in der "Kronen Zeitung" an: "Das war ein klarer Versuch, voll auf den populistischen Zug aufzuspringen." Bei den Grünen finde man dagegen einen gewissen Ökologie-Populismus, während sich die ÖVP auf populistische Weise resistent gegen alle Impulse der Arbeitgeberseite in Sachen Bildung und Zuwanderung zeige.

Die Krise der traditionellen christlich-sozialen und sozialdemokratischen Großparteien bringe auch eine gewisse Unberechenbarkeit des politischen Marktes mit sich. Das wiederum biete Boden für populistische Forderungen und Statements: "Jeder Newcomer, wie etwa Stronach oder die Piraten, versucht sich zu inszenieren - und übertriebene Inszenierung ist schnell populistisch", meinte Pelinka. Stronach versuche derzeit, eine freiheitlich-populistische Position ohne die fremdenfeindlichen Akzente einzunehmen: "Seine Wertedebatte ist eine erstaunliche Nicht-Debatte", erklärte der Politologe.

Heilserwartungen

Problematisch ist laut Pelinka vor allem der kurzfristige Horizont der Parteien bis zum nächsten Wahltermin: "Das ist das Einfallstor des Populismus". Direkte Demokratie würden populistische Parteien dagegen oft mit gewissen "Heilserwartungen" verknüpfen und seien "immer geneigt, diese Karte zu spielen." Das sei nicht nur problematisch, weil es das einheitliche und homogene zu befragende "Volk" gar nicht gebe, meinte Pelinka. Direkte Demokratie mache als Korrektiv Sinn, aber nur wenn es um tatsächliche Entscheidungsfragen unter Wahrung der Rechte von Minderheiten gehe.

Populisten instrumentalisieren Ängste, um politische Aufmerksamkeit und Anerkennung zu generieren, dabei bleibe die Suche nach der sachlichen Lösung oft auf der Strecke, so Friedrich Gehart, Vorsitzender des Sir Peter Ustinov Instituts. Deshalb sei es Ziel der nun vorliegenden Publikation und des vorangegangenen Kongresses gewesen, Populismus zu analysieren, begreifbar zu machen und "das Bewusstsein für demokratische Formen der Problemlösung zu schärfen", betonte Gehart.

Der Band widmet sich nicht nur dem Begriff und den historischen Wurzeln des Populismus, sondern gibt einen vergleichenden Überblick über die europäischen links- und rechtspopulistischen Parteien von der deutschen Linkspartei bis zur ungarischen Jobbik. Im abschließenden Kapitel werden schließlich Strategien gegen den Populismus dargelegt. "Wir werden dem Populismus aber nur auskommen, wenn die Feindbilder nicht mehr nachgefragt werden. Es liegt also an den Wählern", zeigte sich Pelinka abschließend überzeugt. (APA, 11.2.2013)