Im November hab ich noch eine dicke Lippe riskiert. Als noch weit und breit keine Spur von Winter war, hab ich den Alex angerufen: "Machma im Schnee ein Hatzerl im leichten Gelände? Ich mit der Enduro, du mit der Vespa. Was sagst." Der geneigte Leser erinnert sich vielleicht noch an den Alex Jirsa und seine Vespa, die er so am Hinterradl herumfährt, dass man meinen möchte, es koste extra, wenn man mit beiden Rädern die Straße benutzt.
Und dementsprechend sagt der Alex: "Passt, machma. Aber fahren wir auf Eis, das ist geiler. Sag zwei Tag vorher, dann schraub ich mir ein paar Spikes in die Gummis."
Äh ja, so war das nicht gemeint. Ich wollt einmal, ein einziges Mal, besser sein als der Alex. Mit dem Taunus hat er die ganze Drift Challenge paniert - also kauf ich ihm den Taunus ab - und lass mich von der ganzen Drift Challenge panieren, während der Herr Alex in einem alten Cosi, den er erst ein paar Tage hat, den Sieg einfährt. Sehr gschmackig.
Eifrig nachgedacht
Also dachte ich mir, ich muss was suchen, was gar nicht geht. Die Vespa auf Schnee im Gelände etwa, gegen eine rennfertige Hard-Enduro mit Winterreifen. Rechnet da wer, dass einer nachschärft und sich Spax in die Reifen schraubt? Nur so zwecks der Gaude? Eben.
Aber jetzt hab ich ein Gerät ausgefasst, damit könnt ich den Alex in einem Vergleichstest dabiegen. Er kriegt einen 08/15-125er-Roller, ich nehm, was mir Yamaha grad zugesteckt hat. "Wenn du eh nicht Ski fährst, fahr den Roller. Hat sogar Winterreifen drauf", sagt der Richie, als er mir den Schlüssel vom Xenter in die Hand drückt.
Der Meisterschnee
Der Xenter hat 155 Kubikzentimeter und damit das Alzerl mehr Kraft, das den 125er daneben irgendwie madig erscheinen lässt. Ob der Winterreifen das dann auch noch auf die Straße bringt? Aber überraschend locker. Draußen fällt Schnee. Die Straßen sind nass, in machen Ecken und auf ungesalzenen Flecken färben sie sich sogar weiß. Aber der weiche Gummi des "Urban Master Snow" pickt am Asphalt wie Kaugummi im Haar. Wenn ich mich trauen würde, Schräglagen zu fahren, ich trau mich wetten, das gingert auch.
Aber es frieren mir nicht nur die Pratzen am Lenker fest, sondern mit dem offenen Helm auch die Rotzglocken unter der Nasenspitze. Da ist es dann bei mir nicht mehr so weit her, mit dem Mut. Da verträgt der Reifen viel mehr als ich. Nicht einmal auf der Bremse gibt es ein Problem. Das liegt aber auch daran, dass diese zubeißt wie meine Oma, wenn die Klaviatur noch im Glasl am Nachtkastl schwimmt. Obwohl, vielleicht ist es eh gut.
Doppelgänger
Nur als ich mich wieder an den Jirsa erinnere, mit etwas Überschuss auf eine Kreuzung zufahre und mit den Bremshebeln bessere Fingerübungen mache, verzerrt sich mein Gesicht. Die Augen werden groß wie die Scheinwerfer vom Xenter, Pausbackerl wachsen mir, weil ich nicht ausatmen mag – aus Angst, es könnte ein elendiger, wimmernder Schrei werden. Jedenfalls, in dem Moment schauen der Xenter und ich uns sehr ähnlich. Und ja, man kann sagen, wir sind beide keine Schönheit. Bleich und glubschäugig. In schwarz, in der MotoGP-Version schaut er eindeutig besser aus - aber ich hab nun einmal den weißen.
Der Alex würd sich kropfert lachen, den Start verschlafen. Nehmen wir an, er käme mit einer x-beliebigen 125er Vespa. Dann hätte er da hoffentlich keine Winterreifen drauf, die kleinen, kippeligen Räder statt der 16-Zöller wie der Xenter, weniger Leistung, weniger Drehmoment und hätte dafür auch noch mehr Geld hinblättern müssen.
Warum ich den Alex dann trotzdem nicht anruf? Wenn ich aus dem Blickfeld bin, packt ihn ja doch der Ehrgeiz, und spätestens in der dritten Kurve fährt er mir innen, am Rutscher, durch, macht mit der linken Hand obszöne Gesten und ruft mir mit einem Lächeln noch den Namen des Wirten zu, bei dem er auf mich wartet und ich dann die Rechnung begleichen darf. (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 11.2.2013)