Freitag, kurz nach sieben Uhr früh, kam aus dem Ratssaal der Staats- und Regierungschefs eine erste Entwarnung: Man habe sich beim mittelfristigen EU-Finanzrahmen auf eine Obergrenze von 960 Milliarden Euro an Finanzierungszusagen verständigt.

Sechzehn Stunden lang hatten die EU-Spitzen bis dahin die Nacht über ohne Unterbrechung durchverhandelt. Nach der Festlegung dieser sogenannten Verpflichtungsermächtigungen sollte man annehmen, der Rest wäre budgetäres Handwerk, technisches Abarbeiten von speziellen Wünschen, die die vorgenommenen Gesamteinschnitte für einzelne Länder abmildern. Denkste.

Es sollte noch einmal zehn Stunden dauern, ehe Ratspräsident Herman Van Rompuy am Abend den Budgetsack zumachen und sagen konnte: "Wir haben einen Deal."

Als Stolperstein galt bis zuletzt die Frage, wie hoch die Zahlungsermächtigungen der Länder ausfallen sollten, was diese also in den Jahren 2014 bis 2020 auf jeden Fall nach Brüssel überweisen werden – und nicht nur heute versprechen. Aus Sicht des Europäischen Parlaments (EP), das den vom Rat vorgeschlagenen Etat gemäß EU-Vertrag mit Mehrheitsvotum im Plenum noch verhindern kann, ist das der entscheidende Punkt. Der britische Premier David Cameron pochte bis zum Schluss auf deutliche Kürzungen bei den echten Zahlungen.

Der Britenrabatt bleibt

Sein zweiter großer Erfolg: Der Beitragsrabatt für die Briten bleibt – ebenso wie für Deutschland, die Niederlande, Schweden, teilweise auch für Österreich.

Laut Van Rompuy hat man sich auf die Obergrenze von 959 Milliarden Euro geeinigt. Dazu kommen noch weitere 36,8 Mrd. Euro an außerbudgetärer Finanzierung für die Entwicklungshilfe und Nothilfereserven. Der EU-Finanzrahmen bleibt damit mit insgesamt 996 Mrd. Euro symbolisch unter der Billionengrenze. Gegenüber dem Etat für die Vorjahre 2007 bis 2013 entspricht dies einer Kürzung um 35 Mrd. oder drei Prozent. Die Zahlungsermächtigungen jedoch sollten mit 908 Mrd. Euro viel niedriger ausfallen als die Verpflichtungen. EP-Präsident Martin Schulz stellte in den Raum, dass die Abgeordneten dem Deal daher kaum zustimmen könnten, weil zwischen Verpflichtungen und Zahlungsermächtigungen eine Finanzierungslücke von 52 Milliarden Euro entstehen werde. Er kündigte harte Nachverhandlungen in den kommenden Wochen und Monaten an.

Die Zahlen, auf die man sich am Ende einigen konnten, liegen auch weit unter den Budgetansätzen, die die EU-Kommission im Juni 2020 ursprünglich vorgeschlagen hatte (siehe Grafik).

Sie wollte zum Beispiel einen neuen besonderen Akzent setzen auf den Ausbau der transeuropäischen Netze, bei Straße, Schiene, bei Energie oder im Telekom-Bereich, hatte dafür 40 Milliarden Euro eingeplant. In diesem Bereich nahmen die Regierungschefs erwartungsgemäß die größten Streichungen vor. Statt zum Beispiel sieben Mrd. Euro für Netzleitungen soll es nur eine Milliarde geben. Verkehrsinfrastruktur soll anstatt mit 29 Mrd. Euro doch nur mit 23,2 Mrd. subventioniert werden, wobei zehn Mrd. für die ärmsten Regionen und Länder eigens reserviert sind. Das Beispiel zeigt, nach welchem Muster die Regierungschefs bei den Ausgaben ihre Rotstifte angesetzt haben: Relativ "verschont" wurden in den individuellen Nachverhandlungen der Mitgliedsstaaten jene Politiken in Agrar- und Strukturförderung, von denen die Länder bisher traditionell am meisten profitieren konnten. So gelang es Frankreich, sich im Bereich der Direktzahlungen an die Bauern wie auch bei der ländlichen Entwicklung zusätzliche Gelder zu sichern. Davon profitierte auch Italien (mit 1,5 Mrd. "Zuschlag"), aber auch Österreich (Seite 3).

Sparen bei EU-Beamten

Zum neuen Sparkurs der Union beitragen müssen auch die EU-beamten: Bis 2017 muss die Kommission bei der Verwaltung eine Mrd. einsparen. Das soll einerseits durch das Einfrieren der Gehälter für zwei Jahre und Stellenkürzungen, die durch unbezahlte Mehrarbeit von Beamten erreicht werden, ausgeglichen werden.

Der einzige Bereich, der mit einer großzügigen und neuen Dotierung rechnen kann, ist die Jugendbeschäftigung. Die EU-Spitzen haben dafür Mittel von sechs Milliarden Euro eingeplant, die in die Ausbildung von Jugendlichen im Alter bis 17 Jahre gesteckt werden sollen, wie Bundeskanzler Werner Faymann betonte. Profitieren werden davon jene Regionen, in denen die Arbeitslosigkeit bei den Jungen über 25 Prozent liegt, insbesondere also in Südeuropa.

Nach dem Abschluss des Budgetpaketes ist nun das EU-Parlament am Zug. Laut Schulz wird die Zustimmung davon abhängig sein, ob Flexibilität beim Budgetvollzug möglich wird. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD; 9.2.2013)