Außerdem sitzen aber Dutzende herum, denen man nicht sofort ansieht, dass sie möglicherweise ernsthaft krank sind (wobei man auch zwischen Patienten und Großfamilien als Begleitung unterscheiden muss - muslimische Frauen dürfen anscheinend selten ohne die Männer der Familie ins Spital). Viele haben unklare Schmerzen, fühlen sich einfach schlecht. Etliche kommen, weil sie sich nicht gut fühlen und mit ihren Halsschmerzen und dergleichen nicht zum Hausarzt gegangen sind. Und so warten sie Stunde um Stunde.

Warum? Weil Familien aus ärmeren (Migranten-)Schichten nicht zum Arzt, sondern ins Spital gehen; weil die Praxen der niedergelassenen Ärzte auch überfüllt sind und am Abend und am Wochenende nicht geöffnet haben. Und weil man nicht wissen kann. Es könnte ja doch etwas Ernstes sein, für dessen genaue Diagnose man Laborwerte machen lassen muss.

Überfüllte Ambulanzen

Der Effekt: die Spitalsambulanzen sind, besonders in Wien, besonders im AKH, abends und am Wochenende überfüllt, die Ärzte und Schwestern überarbeitet. Dafür funktioniert es ohnehin erstaunlich gut - nur sollte es so nicht weitergehen. "Haus-ärzte" werden zu Rezeptausgabeautomaten, Spitalsärzte zu Stachanow-Arbeitern, die Kosten laufen den Spitalserhaltern davon. Was tun? Der Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, Harald Mayer, schlug dieser Tage Ambulanzgebühren vor, was von der Politik abgelehnt wurde (gab es schon, hat nicht gewirkt).

Die Lösung scheint zu sein, wieder mehr Patienten zu den niedergelassenen Ärzten zu bringen - aber wie? Eine ketzerische Anregung von ärztlichen Gesundheitspolitikern: die Ambulanzen für "kleine Fächer" (Augen, Haut, HNO) in den Großspitälern aufzulassen und so zu den niedergelassenen Spezialisten umzuleiten, von denen es allerdings zu wenige gibt.

Und: Gäbe es mehr Gemeinschaftspraxen, die a) über bessere Öffnungszeiten und b) über eine bessere medizintechnische Ausstattung verfügen, könnten vermutlich mehr Patienten auf die Spitalsambulanz verzichten.

"In Wien liegen Anträge auf 80 Gemeinschaftspraxen", sagt Thomas Szekeres, der neue Präsident der Wiener Ärztekammer. "Aber die Wiener Gebietskrankenkasse ist noch immer pleite und vergibt ungern neue Kassenverträge". Wien hat viele Pensionisten und Arbeitslose, die Beitragszahlerstruktur ist daher schlecht. Das bedeutet entweder erhöhte Beiträge oder erhöhte Staatszuschüsse zur Krankenversicherung.

Sozusagen schleichend und stückchenweise findet das ohnehin statt - gleichzeitig versucht man auf der Ausgabenseite die Kostenexplosion zu bremsen. Aber damit wird immer nur gerade so viel erreicht, dass das ganze System nicht völlig aus den Fugen gerät. Die Situation in der Notaufnahme im AKH oder im Donauspital wird dadurch nicht weniger stressig. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 9./10.2.2013)