Wien - Während sich in Deutschland mit Bildungsministerin Annette Schavan schon das zweite Regierungsmitglied im Kabinett von Angela Merkel (CDU) mit Plagiatsvorwürfen gegen die Doktorarbeit herumschlägt, plagen die Österreicher andere Sorgen wegen ihrer akademischen Weihen.

Im Wissenschaftsministerium verzeichnet jene Stelle, die für das Überprüfen rechtmäßiger Titel zuständig ist, in den letzten drei Jahren einen hundertprozentigen Anstieg an Beurteilungen. Konkret in Zahlen: 2010 bewertete das Wissenschaftsressort 1396 universitäre Abschlüsse samt errungenen Titeln, 2011 schon 2073 und im Vorjahr, also 2012, 2665 akademische Grade. Tendenz weiter steigend, und: Hunderte Anfragen ließen sich gleich erledigen, weil ohnehin ersichtlich war, dass die Zertifikate den hiesigen Standards nicht standhalten.

Der Abteilungsleiter für Anerkennungsfragen, Heinz Kasparovsky, erklärt sich diesen Anstieg damit, dass einerseits neue Unis im Internet wie im Ausland Graduierungen anbieten. Andererseits habe die Mobilität in Europa stark zugenommen - und nicht nur viele Österreicher, sondern auch Migranten wollen seit Einführung der Rot-Weiß-Rot-Card sicherstellen, dass sie ihre erworbenen Kürzel vor dem Namen auf Visitenkarten pressen und allerorts führen dürfen. Aber: "Je fixierter jemand auf seinen Titel ist, desto eher schöpfen wir Verdacht, dass da etwas nicht in Ordnung sein könnte - und desto genauer sehen wir hin", so Kasparovsky, der über die im internationalen Vergleich überproportional ausgeprägte Liebe der Österreicher zu ihren Titeln sogar ein Buch verfasst hat. Was hierzulande ebenfalls vorkommt: dass Nachbarn oder Geschäftspartner von Titelträgern Hinweise geben, man möge sich doch bitte die akademischen Würden des Betreffenden genauer ansehen. Kasparovsky: "Aber dafür sind wir nicht zuständig. Da verweisen wir auf den Datenschutz und auf die Bezirksverwaltungsbehörden." Nach dem Verwaltungsstrafrecht kann das unlautere Führen eines Titels bis zu 15.000 Euro kosten.

Marotte aus der Monarchie

Der Experte glaubt jedenfalls, dass der heimische Titelwahn aus der k. -u.-k.-Zeit herrührt, als mit dem Verleihen militärischer Ränge für die Einordnung in die (höhere) Gesellschaft gesorgt wurde. Dafür spricht, dass auch in Tschechien, der Slowakei und in Ungarn das Sichtbarmachen der Graduierungen hohe Bedeutung hat. 900 Titel gibt es heute in Österreich, vom "Oberbereiter der spanischen Reitschule" bis zur " Notfallssanitäterin mit besonderer Notfalls-kompetenz". Kasparovsky trägt den Amtstitel "Ministerialrat". (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 9.2.2013)