Wien - Die Arbeitsbedingungen in der Bäckerei-Branche sorgen wieder einmal für Aufregung. Die Gewerkschaft ist der Ansicht, dass viele Mitarbeiter eigentlich nach dem falschen Kollektivvertrag entlohnt werden. Laut Erwin Kinslechner von der Produktionsgewerkschaft Pro Ge zahlen nur Ankerbrot und Ölz nach dem Großbäcker-KV.

Ketten wie Mann oder Ströck, die über jeweils rund 80 Filialen verfügen, stellen ihre Mitarbeiter nach dem Gewerbe-KV, der ursprünglich für Kleinbäckereien ausgelegt war. Der wesentliche Unterschied: Der Gewerbe-KV ist laut Kinslechner je nach Verwendungsgruppe um 15 bis 20 Prozent niedriger.

Gerhard Ströck verteidigt im Gespräch mit dem Standard die bisherige Praxis. "Wir sind ein Handwerks- und kein Industriebetrieb." Außerdem zahle man ohnehin um 15 Prozent über dem Kollektivvertrag. Warum man dann nicht gleich den teureren Großbäcker-KV akzeptiere? "Das ist eine Prinzipgeschichte", sagt Ströck.

Kein Betriebsrat

Für Unmut bei Gewerkschafter Kinslechner sorgt auch, dass sowohl Ströck als auch Mann noch immer keinen Betriebsrat haben. Ströck beschäftigt immerhin 1780 Mitarbeiter. Firmenchef Gerhard Ströck: "Unsere Mannschaft sagt: Wir haben Chefs, wozu brauchen wir Betriebsräte?"

Kinslechner stellt die Sache anders dar: "Viele haben Angst, fühlen sich unter Druck gesetzt und gründen deshalb keinen Betriebsrat." Die Branche entwickle sich immer mehr zum "Billiglohnsektor". Die Folge: Kleine Bäckereien seien nicht mehr konkurrenzfähig und müssten zusperren.

Berichtet werde auch von Nicht-Krankheitsprämien bei Mann. Sprich: Geht ein Mitarbeiter nicht in Krankenstand, verdient er mehr. Eigentümer Kurt Mann war dazu am Donnerstag nicht zu erreichen.

Druck ausüben

Dass Druck auf Mitarbeiter ausgeübt wird, möglichst nicht in Krankenstand zu gehen, ist laut Arbeiterkammer-Expertin Jasmin Haindl in der heutigen Arbeitswelt keine Seltenheit. Zu Klagen komme es aber selten. Schriftliche Beweise seien schwer zu erbringen, die Mitarbeiter in einer schwachen Position. Sie appelliert an die ökonomische Vernunft der Arbeitgeber: "Wer krank in die Arbeit geht, kann andere anstecken und ist auch weniger produktiv", argumentiert sie.

Mit einem anderen Problem schlug sich Anker jahrelang herum. Der Produktionsstandort in Wien-Favoriten gehörte, wie berichtet, seit 2003 einem Bankkonsortium. Ankerbrot steckte damals in finanziellen Schwierigkeiten. Im Zuge eines Ausgleichs verzichteten die Institute auf ein Drittel der Forderungen in Höhe von 35 Millionen Euro - im Gegenzug übernahmen sie die Fabrik. Nun habe man das Gebäude zurückgekauft, teilte Anker-Eigentümer und Geschäftsführer Peter Ostendorf mit. Damit seien auch Räumungsklagen, die von den Banken betrieben wurden, vom Tisch, heißt es. (Günther Oswald, DER STANDARD, 8.2.2013)